Liebe Marsi,
dein Post war echt nochmal sehr aufschlussreich für mich

Dieser Eindruck, der durch meine Berichte von ihm entstanden ist, wird ihm so nicht gerecht. Ich saß grade echt da und dachte "Hoppla, SO ist es ja nun auch nicht". Da ist das Forum echt ein toller Wegbegleiter und eine super Art und Weise, Rückmeldung zu erhalten. Was ich berichte sind Momentaufnahmen - meist Situationen, in denen etwas NICHT gut läuft. Sehr einseitig und subjektiv, aber in dem Moment von mir so gefühlt. Und wie ich jetzt wieder feststellen durfte, neige ich in solchen Situationen dazu, alles andere ein bisschen zu verdrängen und auszublenden. Ich finde das ein Stück weit normal, aber ich muss da schneller wieder die Balance finden. Deine Antwort hat mir gezeigt, dass ich den Karren wahrscheinlich gegen die Wand gefahren hätte, wenn wir gestern schon miteinander geredet hätten. Ich hätte es nicht so gewollt und hätte sachlich bleiben wollen, wie man sieht, wär das aber bei ihm nicht so angekommen, so wie es bei dir sehr zu seinen Ungunsten angekommen ist. Erst jetzt, wo ich das Gefühl habe, ihn "in Schutz" nehmen zu müssen, lenkt sich mein Fokus wieder mehr auf die positiven Dinge - und die sind in solch einem Gespräch sicherlich auch nötig zu erwähnen.
Ich bin gerade ein bisschen erschrocken, weil ich an dieser "Balance" eigentlich schon seit Dienstagabend, wo er mir das mit dem Urlaub ja erzählt hat, arbeite. Ich habe noch am selben Abend eine Liste erstellt, mit den Dingen, die über die letzten Wochen positiv gelaufen sind und die Dinge, die ich nicht so schön fand. Auf der Minus-Seite standen nur zwei Kleinigkeiten und eben diese Geschichte mit dem Ski fahren. Auf der Plus-Seite hingegen einiges mehr. Und trotzdem konnte ich das so nicht annehmen und so fühlen und wahrnehmen. Dann hab ich mich gestern mit einer Freundin ausgetauscht, die uns beide kennt (die kann schweigen wie ein Grab!) und da waren zwei wichtige Eindrücke von ihr mit dabei:
"Ich glaube nicht, dass nur du dir Mühe gibst und nachdenkst. Ich glaube bei ihm hat sich da im letzten Jahr auch ein bisschen was geändert. Vielleicht hatte er einfach irgendwie Angst vor deiner Reaktion darauf."
"Er ist da wahrscheinlich genauso verunsichert wie du. Er hat vermutlich auch Sorge, irgendwas falsch zu machen und dich wieder zu verlieren."
Joa und was schreib ich darauf... Dass ich in dem Gedanken festhänge, dass er sich überhaupt keine Sorgen macht, weil das gerade nur ein Versuch von uns beiden ist und er es ziemlich einfach unter "hat halt nicht funktioniert" verbuchen kann. Darauf meinte sie:
"Also das glaub ich auf keinen Fall. Ihm ist das alles nicht egal und es ist glaub auch nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Ihm fällt es vielleicht schwer, sich den Fehler einzugestehen oder vor dir zuzugeben. Würde es ihm nicht ernst sein, hätte er das Ganze schon lange beenden können und er würde wahrscheinlich auch anders mit dir umgehen."
Und DAS ist ein wichtiger Punkt im Vergleich zum Forum hier... Sie erlebt uns gemeinsam, sieht mich und ihn, und sieht da immer sehr genau hin und hatte von Anfang an eine wunderbare Begabung dafür, die Dinge richtig einzuschätzen. Sie nimmt wahr, dass er sich Mühe gibt. Und auch von anderen erhalt ich die Rückmeldung, dass er so dermaßen offensichtlich meine Nähe sucht, viel investiert und man "die Herzchen fliegen" sieht, wie eine andere Freundin erst kürzlich nochmal erwähnen musste
Warum kann ich das alles nur bedingt wahrnehmen? Ist das typisch Frau oder liegt das speziell an mir? Warum benötige ich dafür immer auch die Eindrücke von außen? Ist das wieder das mangelnde Selbstwertgefühl? Oder noch die Nachwehen der Trennung und die Tatsache, dass ich meinem Bauchgefühl immer nicht so recht traue? Ist das übertriebene Vorsicht? Was meint ihr?
Ich muss gerade oft an John Gray denken und das Kapitel über Punkte sammeln bei den Frauen. Mir ist da dieser Teil im Kopf geblieben, indem steht, dass Männer davon ausgehen, dass eine "große Tat" unendlich viele Punkte gibt und sie damit für längere Zeit aus dem Schneider sind. Dabei bewerten wir Frauen jede Tat mit einem Punkt - egal wie groß, teuer, aufwendig...
Das betrifft das Positive! Ich muss mal nochmal nachlesen, ob da auch was über die Minuspunkte steht. Ob das da umgekehrt ist - so wie bei mir. Dass eine große negative Tat dann aber viele Minuspunkte gibt. Das wäre sehr unfair, das wird mir aber erst heute bewusst. Aber die letzten Tage war ich sehr in diesem Muster gefangen.
Um also alles etwas objektiver darzustellen, hier noch einige Dinge der positiven Punkte:
- Sonntag hat er vorgeschlagen, wir könnten einen Stadtbummel machen und einen Kaffee trinken gehen --> dieser Vorschlag kam mir zu liebe, er brauch solche Ausflüge nicht und mag sie auch nicht sonderlich gerne, ist da eher der kleine Couchpotato, der seinen Kaffee am liebsten zu Hause trinkt
- Es hat sich so eingebürgert, dass die Jungs samstagmittags gemeinsam in ne Imbiss-Bude gehen, um was zu essen. Freitag auf Samstag hab ich bei ihm geschlafen und obwohl eigentlich schon ausgemacht war, dass er da wieder mit nem Kumpel hingeht, hat er mich gefragt, ob ich hunger hätte, hat allerdings auch etwas beschämt rumgedruckst, dass er nicht viel im Kühlschrank habe, er aber schon irgendwas zaubern könnte. Musste dann lachen, habe mich bedankt und meinte, es sei nicht nötig, dass er für mich kocht, so groß sei mein hunger gerade nicht. Erst DANN hat er erzählt, dass er ja eigentlich auch mit dem Kumpel angedacht hatte, zum Mittagessen in die Imbiss-Bude zu gehen (hätte ich gesagt, ja koch mir bitte was, hätte er es abgesagt). War für mich total in Ordnung und automatisch ganz klar, dass er mich vorher dann heim fährt - nicht aber für ihn. Er hat doch dann tatsächlich gefragt, ob ich dann da mit möchte --> das ist ein Ausdruck großer Loyalität - er steht zu mir, schert sich nicht darum, dass das eigentlich ne eingesessene Jungsrunde ist und dass andere deshalb meckern könnten, wenn er mich mitbringt; zudem möchte er, dass ich an diesem Mittag nicht verhungere, es war nämlich seine große Sorge, was ICH denn dann ess, wenn er mir nichts macht und ich da nicht mit hingehe.
- Und jetzt müsst ihr vielleicht mit dem Kopf schütteln, weil ihr das für selbstverständlich haltet, ist es in seinem Falle aber nicht... Wir saßen vor kurzem in der Badewanne und er hat mir ein Kompliment gemacht. Extreeeeeem unbeholfen und mit Abstand noch ausbaufähig (weshalb auch der Eindruck entstanden ist, dass er sich etwas blöd dabei vorkommt, er wusste wahrscheinlich selbst, dass das besser hätte laufen können

), aber es war ein Kompliment! Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so aus dem Nichts eins von ihm bekommen zu haben. Das ist an sich ne Kleinigkeit und sollte schon irgendwie selbstverständlich sein - war es aber halt bisher nicht. Nicht weil ich glaube, dass es da nichts gegeben hat, wofür er mir Komplimente machen hätte können (warum wäre er dann fast sechs Jahre mit mir zusammen gewesen?), sondern einfach, weil es da an der Kommunikation gescheitert ist. Weil er unfähig war, solche Dinge sprachlich auszudrücken --> jetzt hat er sich aber überwunden, kam sich sichtlich doof dabei vor, was ich natürlich ignoriert hab, gegrinst bis über beide Ohren und mich bedankt, sodass es ihn hoffentlich dazu animiert, diese Geschichte auszubauen. Dieser Punkt steht auch ganz oben auf meiner Liste - die kleinsten Dinge sind oft dann doch die größten für einen persönlich. Und das war auch eine der markantesten Veränderungen, die hoffentlich anhält.
Und da stehen noch mehr Dinge auf der Plus-Seite...
Jetzt hab ich einen ganz schönen Roman geschrieben... Bleibt noch zu erwähnen, dass die Aktion mit dem Wochenende in den Bergen trotzdem total bescheuert war und ich das ansprechen muss und werde - nicht dass jetzt der Eindruck entsteht, ich sei schon wieder von der rosaroten Brille geblendet und nehm es einfach so hin, weil es auch viele positiven Dinge zu berichten gibt. Das war jetzt aber einfach nochmal für mich wichtig, damit das Bild objektiver wird - für euch, aber vor allem auch in meinem Kopf. Es gibt bei uns nämlich definitiv nicht nur die eine Seite der Medaille, was ich bei einem negativen Ereignis noch zu schnell aus den Augen verlier. Damit bin ich nicht weniger leicht aus der Bahn zu werfen und schreckhaft als er - wichtige Erkenntnis...