Genau, kleiner Skorpion, gar NICHTS machen! Nicht antworten. Du gehst in die Praxis, bist freundlich, höflich, aber eher distanziert und zeigst ihm dadurch, dass Du mit seiner Abfuhr umgehen kannst. Gib Dir um Himmels Willen keine Blöße, sondern betrachte den Besuch seiner Praxis ganz nüchtern. Ich weiß, es ist schwierig, aber ich glaube, das solltest Du leisten, denn es würde Dir gut tun.
Wenn Du auf seine Mail wieder eingehst und sämtliche Antworten von Dir lesen sich als gekränkte Eitelkeit, gibst Du Dir wieder eine Blöße und genau das willst Du doch nicht. Bewahre Dir Deine Würde, lass sie Dir nicht noch mehr nehmen, das würde Dir gut tun. Jede emotionale Reaktion auf ihn zeigt Deine Verletztheit.
Gut, dass Du die lange Mail nicht schreibst, Du würdest ohnehin keine befriedigende Antwort bekommen, Dich stattdessen hinterher nur selbst wohin beißen, weil Du wieder Schwäche gezeigt hast.
Du bist jetzt sehr, sehr verletzt und Du hast ein Riesenproblem, weil er Deine Eitelkeit extrem gekränkt hat. Er ist wohl ein Spieler, der virtuell auslebt, was in der Realität nicht sein kann und darf. Und Du warst eine willige Adressatin, denn Du warst bedürftig, was er auch wusste. Und daher hatte er ein leichtes Spiel. Und wenn Du ihm einen Vorwurf wegen seiner eindeutigen Äußerungen machst, dann zieht er sich ganz schnell zurück und stellt Dich als blöd hin. Wieso, ich habe doch geschrieben, dass wir NICHT übereinander herfallen können, oder?
Sprich, er würde alles geschickt so hindrehen, dass Du wieder die A-Karte hast.
Ich weiß, wie Du Dich fühlst, denn mir ging es auch so. Ich war schon in der Beziehung die hoffnungslos Unterlegene, denn er war autark. Ich durfte ein wenig an seinem Leben teilnahmen, aber im Grunde war ich nur Staffage. Ich fühlte mich oft genug wie eine billige kleine Wochenendgeliebte und recht viel mehr war ich ja auch nicht. Er lebte sein Leben, er entschied für sich und ich litt. Ich spürte ja das hoffnungslose Ungleichgewicht unserer Beziehung. Er hatte die Macht und ich war die Unterlegene, die alles hinnahm und geduldig auf ein paar Brösel seiner Zuneigung wartete.
Tja, und dann noch die Schmach, als Verlassene da zu stehen.
Mein Weltbild war nach der Trennung klar, so wie Deines: Er war der Gemeine, hinterhältige Schuft, der meine Liebe missbraucht hatte, mich weggeworfen hatte wie einen alten Lappen und ich war das Unschuldslamm, das immer wieder gebissen wurde von ihm, dem Hütehund. Kaum hatte ich wieder mal eine Verwundung bekommen, weil ich ihm zu nahe gekommen war, schleppte ich mich hinkend in die Herde zurück, leckte meine Wunden, nur um es erneut zu versuchen. Die Rechnung bekam ich, immer und ich nahm sie hin.
Das machte mich nach der Trennung rasend. Immer hatte er die Überlegenheit gehabt und gnadenlos ausgespielt und ich blöde Kuh hatte gewartet, gehofft und verziehen. Ich wollte ihn sogar therapieren.
Es dauerte Monate, bis sich meine Gefühle abgekühlt hatten und ich einen nüchternen Blick auf die Beziehung werfen konnte. Bereits bei meinem Therapeuten wurde mir klar, dass es nicht nur einseitig gut und böse gibt. Denn der Therapeut wertete nicht, er blieb ganz objektiv, ich erfuhr weder Zuspruch noch Ablehnung. Und auch über meinen Ex. verlor er kein böses Wort. Das alles gab mir dann doch sehr zu denken? War es womöglich doch nicht so, dass meine Schuldzuweisungen nicht ganz gerechtfertigt waren? Konnte das sein?
Und erst Wochen später erkannte ich es, dass auch ich meinen Teil dazu getan hatte. Er hätte mich nicht so behandelt, wenn ich nicht eine willige Plattform für seine Machtspielchen gewesen wäre. Auch ich hatte durch meine Reaktionen etwas verursacht, etwas verstärkt. Und auch ich hatte ihn benutzt, fast missbraucht, denn ich hatte ihm eine Rolle zugedacht, die er nicht wollte und nicht ausfüllen konnte. Ich hatte ihn mit 46 Jahren als meinen Traummann auserkoren. Er würde es endlich sein, der ideale Prinz, der mein Leben richten würde, der mir ein positives Selbstgefühl geben würde. Denn ohne ihn war ich nicht viel.
Und dann schämte ich mich, vor mir selbst, denn auch ich hatte ihn missbraucht. Er sollte dazu da sein, mein schwaches Selbstgefühl aufzupolieren und er sollte die fehlenden Teile meines Selbst ergänzen. Ich hatte ihn als meinen "Heiler" ausgewählt und dann fuhr ich die Ernte ein. War meine vermeintliche Liebe im Endeffekt nicht auch nur ein großes Stück Egoismus gewesen. Ja, es war leider so, nur hatte ich es nie erkannt.
Besser aber spät als nie.
Und das will ich Dir auch sagen, denn aus Deinen Mitteilungen spricht in erster Linie verletzter Stolz, getretene Eitelkeit. Und auch dieses Problem liegt in Dir selbst. Du kannst das aber selbst heilen, denn wer anderes kann es nicht tun. Für unsere Liebe zu uns selbst sind wir selbst verantwortlich, wenn wir den Anderen als Werkzeug brauchen, um uns gut zu fühlen, erleben wir früher oder später eine Niederlage.
Nüchtern betrachtet, was war denn so schlimm? Er hat mit Dir gespielt, ja, klar, denn Du warst eine willige Adressatin für seine Machtspielchen. Auch Du warst aufgrund Deiner Emotionalität die Unterlegene und daher wütet jetzt so viel in Dir. Wie auch bei mir hatte er die Macht und die Kontrolle behalten und Dich hat er auflaufen lassen, immer und immer wieder. Er machte es nicht aus böser Absicht, aber er ist eben auch so gestrickt, dass er das immer wieder ausleben muss und zwangsläufig werden Andere darunter leiden. Aber jeder der austeilt, braucht auch einen, der das hinnimmt, darauf eingeht. Sprich, zum Geschlagenwerden gehören zwei, einer der schlägt und einer, der sich das gefallen lässt.
Also, die Sache mit den Schuldzuweisungen ist immer kritisch zu sehen. Ich würde meinen, wenn ich mich im Rückspiegel betrachte, dass auch ich mich oft schäbig verhalten habe, schon aus Verletztheit. Meist ist die "Schuld" ziemlich gleich verteilt und auch der vermeintlich Unterlegene hatte irgendwo seine Macht.
Daher meine ich, mit etwas Abstand wirst Du die Sache nüchtern betrachten können. Er hat Dir die Zähne lang gemacht, Dir signalisiert, er könnte womöglich Dein "Retter" sein, der Mann, mit dem alles möglich ist. Und Du hast es geglaubt, schon weil Du es glauben wolltest. Er kam bloß nie zu Potte, denn er zog seinen Schwanz ein, wie Du so treffend sagtest. Denn ausleben wollte er es nicht, ein frivoler Austausch von Mails reichte ihm. Für mehr war er nicht zu haben.
Und ich denke, er merkte, dass er seine Macht an Dir ausprobieren konnte und das wiederum streichelte sein Ego. Er ist ein Jäger, der das Wild aber nicht erlegt, sondern nur anschießt. Ja, er ist ein Feigling, aber im Grund genommen profitierst Du davon.
Das siehst Du jetzt nicht, oder? Aber stell Dir vor, Ihr hättet eine Affäre gehabt, er hätte Dir die Sterne vom Himmel geholt, nur um Dich in den emotionalen Abgrund zu stürzen, was glaubst Du, wie Du jetzt erst leiden würdest. Insofern hat er Dir sogar einen Gefallen getan, indem er eben nicht den "Arsch in der Hose" für mehr hatte.
Du lagst vor ihm wie ein offenes Buch und auch das macht Dir zu schaffen. Wer alles von sich preisgibt, macht sich angreifbar, kann leicht verletzt werden, weil der Gegenpart instinktiv erkennt, wo er ansetzen kann, um seine Macht auszuprobieren. Das macht ja Beziehungen auch so schwierig. Jeder kennt den Anderen, kennt seine verletztlichen Seiten und setzt oft genug dort an, um den Anderen da zu treffen, wo es ihm weh tut.
Etwas fiel mir noch auf:
Kleiner Skorpion hat geschrieben:Du hast mich gefragt, warum ich ihn nicht einfach abhaken kann, wo ja schon so vieles dagegen spricht - ja, warum bloß nicht!?!?! Das wüsste ich ja selber gerne. Es ist ein Scheißgefühl, wider besseren Wissens zu fühlen...!!! Das ist wie freiwillig Gift einnehmen, obwohl man gar nicht sterben will....
Mir scheint, Du hast eine geheime Lust am Leiden. Genau wie ich. Nur wenn es auch weh tut, können wir im Gegenzug auch sehr glückliche Momente erleben. Das Laue liegt Dir nicht. Du bist zu großer Leidenschaft fähig, das merkt man Deinen Mitteilungen an, aber das heißt eben auch, dass Du mit großer Leidenschaft leidest. Das eine gibt es nicht ohne das Andere. Glücksgefühle und große Unglücksgefühle gehören zusammen. Er, dieser Kinderarzt, ist lau, er bleibt außen vor, zu mehr ist er nicht in der Lage, denn er ist emotional eher kalt. Und das gab ihm auch die Macht. Er schätzte diese sehr emotionale, leidenschaftliche Seite an Dir, denn genau das fehlt ihm und er benützte Dich dazu, dass er Anteil an einem Lebensgefühl hat, das er nicht kennt. Er weiß unbewusst, dass ihm das fehlt, er vermisst es, aber er braucht einen Partner dazu, um das zumindest ansatzweise erleben zu können, denn in ihm ist Kälte, die er braucht, um die Kontrolle zu behalten.
Kleiner Skorpion hat geschrieben: Er kennt jedes Detail, deshalb kann ich sein Verhalten nicht fassen. Ich weiß, dass ich meist stabiler und cooler nach außen wirke, als ich innen bin - aber kann es wirklich sein, dass er eine so schlechte Menschenkenntnis hat???
Ganz im Gegenteil, kleiner Skorpion. Er hat Menschenkenntnis, er spürte, was Du brauchtest und er bot es Dir, allerdings nur virtuell. Instinktiv spürte er die willfährige Adressatin, die seinem Werben gerne nachgegeben hätte, die es geradezu herausforderte, dass man ihr wieder mal einen Brocken zuwarf, natürlich nur in Worten und aus der Ferne. Am heimischen PC lebt der Drecksack seine geheimen Bedürfnisse aus, so einer ist das. Und Du Naivling hast eben geglaubt, er meinte es ehrlich. Ihm geht es um Macht, um Kontrolle und er benutzte Dich für seine perversen Spielchen.
Aber auch Du bist in dieser Konstellation nicht unschuldig. Lass Zeit ins Land gehen, warte, bis Du wieder denken und nicht nur fühlen kannst und Du wirst es erkennen können.
Empathie, wieso erwartest Du das? Du suchst sie an der falschen Stelle. Im Grund genommen müsste auch er sich schämen, aber er schützt sich selbst durch emotionalen Abstand. Und selbst wenn er sich schämt, so würde er es nie und nimmer zugeben. Immer die Kontrolle behalten, ein nüchternes Auge behalten, das gibt Macht und macht unangreifbar.
Du hast wie ich seine ach so nette Seite einfach verkannt. Diese Menschen sind nicht so, wie sie sich geben. Sie wirken ja so verständig, so verständnisvoll und hilfsbereit und sanft, aber das ist nur die Fassade. Hinter dem weichen, anschmiegsamen Schafspelz lauert der Wolf, der seine Zähne in das Opfer beißt, gnadenlos. Eine ganz subtile Art von Brutalität leben sie aus, sie können nicht anders, denn sie schützen sich dadurch. Sie merken es nicht, meinen es oft nicht böse, aber sie können keine Gefühle zulassen, denn die machen verletzlich. Und das müssen sie vermeiden, unter allen Umständen. Dadurch hat der Anderes das Gefühl, er rennt permanent gegen Mauern. Und das wiederum sorgt für ein Gefühl der Unterlegenheit und das wiederum macht unglücklich und wütend.
Kleiner Skorpion hat geschrieben: Aber ich habe solche Schwierigkeiten in mich reinzusehen, will sagen, da sind so große Widerstände, dass ich irgendwie nicht vorwärts komme.
Weil Du es nicht zulässt, denn Dein Inneres muss sich schützen. Würdest Du Dich darauf einlassen, Dich bewusst an schmerzhafte Situationen erinnern und das daraus resultierende Leid auf der bewussten Ebene zulassen, würdest Du Dir selbst helfen. Eine professionelle Begleitung wäre sicher sehr hilfreich, weil ein Therapeut auch steuernd eingreifen kann, damit das Leid den Patienten nicht kaputt macht. Du weißt genau, es käme Schmerz und dagegen sträubt sich Deine bewusste Ebene, denn wer leidet schon gerne? In Deinem unbewussten allerdings, über das viel Müll getürmt wurde, Durchsetzungswille, Willenskraft, Disziplin, Benehmen, Moral, Verantwortung, Eitelkeit und Stolz und all diese Dinge, die wir lernen, weint Dein inneres Kind. Sei ein wenig gut zu ihm, lass es sein wie es will, lass es leiden, aber nimm es auch an die Hand. Dadurch würdest Du Dir selbst helfen.
Steh dazu, dass Du verletzt wurde. Das wurde jeder irgendwo, aber die Reise zu sich selbst ist lohnend. Du bekommst etwas dafür, mehr Stärke, mehr Einsicht und mehr Nachsicht auch mit Dir selbst und mit den Mitmenschen. Du wirst anderes, Du veränderst Dich dadurch ein wenig und dann passiert Ungeheuerliches: Du ziehst andere Menschen an, denn solche wie der Kinderarzt (selbst ein Opfer seiner Defizite) spüren instinktiv, dass Du keine Angriffsfläche für ihre Bedürfnisse bietest.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:
1. Es gibt in Beziehungen nicht nur die leidenden und austeilende Seite, alles bedingt sich gegenseitig und Schuld und Unschuld sind meist gleichmäßig verteilt.
2. Du bist reingefallen, okay. Das tut weh, aber ist es denn soooo schlimm? Lass mal Deine verletzte Eitelkeit beiseite, dann siehst Du, dass es doch auch positiv war. Du hast ja dennoch auch sehr positive Gefühle erlebt, den Reiz, das Frivole, fröhliche Momente, solche voller Hoffnung. Du siehst jetzt aber nur Deine Verletzung und vergisst darüber, dass auch Du davon profitiert hast. Vielleicht nur kurzfristig, aber eben doch.
Du bist nun mal emotional, leidenschaftlich, warmherzig und das ist gut so. Du bist vielleicht auch ein wenig gutgläubig, unvorsichtig in Deiner Zuwendung zu Anderen, aber auch das hat seine guten Seite. Auch davon profitierst Du, weil Du nicht lauwarm oder gar kalt durchs Leben gehst.
Du kannst Glück und Liebe erleben, Nähe empfinden, sehr intensiv. Dann musst Du aber im Gegenzug auch ein intensives Leiden annehmen, denn das gehört dazu.
3. Du schämst Dich vor ihm und vor Dir selbst und machst Dir permanent Selbstvorwürfe. Ich hätte nicht dies und jenes tun, sagen, machen dürfen, denn er nützte es aus. Daraus resultiert Scham. Aber auch Scham ist gut, denn sie ermöglicht es Dir, auch Deinen Part in dieser miesen Geschichte realistisch zu sehen. Und Scham heißt eben auch, dass Du im Gegensatz dazu eine Ehre besitzt. Du fühlst, dass diese getreten wurde, aber war es tatsächlich so. Deine Ehre, Deine Würde kann er nicht kaputt machen, die bleibt Dir, wenn Du sie pflegst und im wahrsten Sinn des Wortes in Ehren hältst. Alles was ich lese, ist verletzter Stolz, Eitelkeit, aber bringen Dich diese Gefühle weiter? Nein, sie schaden Dir. Sie sind natürlich jetzt da, aber sie müssen auch wieder gehen, denn Du musst irgendwann Deinen Frieden mit dieser Geschichte machen und auch mit ihm, denn er hat auch gute Seiten. Und wenn Du den Frieden damit gemacht hast, sind Scham und Verletzung verschwunden. Es war so und ich war und er war so und es ist gut, weil ich ohne dieses Erlebnis nicht das gelernt hätte, was ich heute weiß.
Ich war Monate lang mit meinem Bindungsphobiker in Konflikt, denn ich fühlte wie Du. Heute sehe ich es anders. Ich bin dankbar, dass gerade er in mein Leben kam, denn ich brauchte ihn. Nicht als meinen Prinzen, Erretter, wie ich geglaubt hatte, sondern als meinen Lehrmeister. Wäre er nicht gewesen, stünde ich noch da wie vor einigen Jahren. Ich habe Federn gelassen, ganz klar, aber ich trage ihm nichts mehr nach. Er wäre mir auch zu schade dafür, denn er hatte auch gute Seiten, wundervolle. Er konnte mir die Sterne vom Himmel holen und mich auch wieder in Abgründe stürzen. Ich habe etwas erlebt und dafür bin ich dankbar, für alles. Und ihn sehe ich jetzt mit einer liebevollen Nachsicht.
Und ich bin dankbar dafür, dass mir das Leben, das Schicksal oder was auch immer, dies alles geschickt hat. Leid und Glück, Lachen und Weinen, Überschwang und Niedergeschlagenheit, es ist alles in Ordnung wie es kommt. Denn ich darf etwas erleben, bin nicht abgestumpft und nicht kaputt gegangen, sondern bin gestärkt und stabiler geworden.
Es hängt nicht alles nur auf eine Seite. Sieh auch das Positive daran und geh nicht so hart mit Dir ins Gericht und mit ihm.
LG
Sonnenblume