Schiffchen, vielleicht belasten Dich auch noch unaufgearbeitete Schuldgefühle ihm gegenüber. Vielleicht kannst Du deswegen nicht loslassen, weil Du glaubst, wenn ich noch mehr getan hätte oder einfach das Gespür für "das Richtige" gehabt hätte, dann...
Du warst in der Beziehung ,obwohl Du sicher viel eingesteckt hast, die Stärkere, die Macherin, denn er hat gesehen, dass Du was vorwärts bringst. Seltsamerweise war das für ihn aber kein Ansporn, sondern hat das Gegenteil bewirkt. Er ließ sich immer mehr hängen, wurde passiv und fiel in eine Art Verweigerungshaltung.
Es gibt Paarungen, in denen der eine immer stärker wird und je stärker dieser wird, desto schwächer und nachlässiger wird der Andere. Und das wiederum ruft und verstärkt dann wieder Deine Stärke, da Du glaubst, dass Du ausgleichen und anschieben musst, wenn er zu schwach dafür ist. Und wenn sich das im Lauf der Zeit verstärkt, dann seid Ihr schon in einem Verhaltensmuster das keiner sieht und das aber keinem gut tut. Denn der Stärkere leistet immer mehr und schwingt sich auf zum "Therapeuten", zum Helfer und Unterstützer und zeigt dem schwächeren Part dadurch aber immer stärker, wie schwach er eigentlich ist. Das führt dann nicht etwa zum Ehrgeiz etwas bewegen zu wollen, sondern gerade bei Menschen, die nie gelernt haben, an sich zu glauben, dazu, dass sie noch passiver werden.
Das ist ein Teufelskreis, aus dem man kaum rauskommt. Vor allem weil man ihn gar nicht sieht, wenn man drinsteckt, weil man betriebsblind ist.
Ich denke, es war gut und die einzige Chance, hier einen Schlussstrich zu ziehen. Wenn sich die ohnehin vorhandenen Tendenzen immer mehr verstärken, wird das Rollenverhalten einzementiert und tut keinem mehr gut. Es blockiert oft. Der Ex von Dir hat ja keinerlei Selbstwertgefühl und das kann ihm auch keiner "einreden". Daher waren Deine gut gemeinten Versuche, ihm seine Erfolge vor Augen zu halten, völlig nutzlos. Denn er glaubte es ja eh nicht. Und ich glaube nicht, dass Du hier jemals etwas hättest ausrichten können, eben weil Du die Partnerin war. Er bräuchte Anstöße von außen, von neutraler Seite, er bräuchte Hilfe durch einen Therapeuten, wenn es ihm nicht gelingt, sich positiv zu sehen. Das ist das Schlimme an diesen seit Jahrzehnten gelebten Selbstbild. Wer das als Kind nicht lernt, dass er wertvoll ist, der tut sich im späteren Leben schwer. Entweder er ist so schlau, das irgendwann zu durchschauen, dass er den klassischen Selbstboykott betreibt oder er merkt, dass er tatsächlich Hilfe braucht. Oder er scheitert ganz und bringt nie was auf die Reihe, weil er nur das lebt, was in ihm drin ist. Der Glaube an das eigene Versagen.
Du hättest ihm da sicher nicht helfen können. Du hast es versucht, aber es klappte nicht. Und daher ist es gut so, dass die Beziehung auseinander ging. Sie hatte doch keine Perspektive mehr. Einer verstärkte unbewusst die Tendenzen des Anderen, das sehe ich auch in meiner gescheiterten Beziehung. Zwei Menschen mühen sich ab und tun doch immer das Falsche, weil sie so handeln, wie es ihr Programm ist. Bei mir war es Selbstaufgabe aufgrund der massiven Verlustängste (auch ein Erbe aus meiner Kindheit), bei Dir war es vielleicht, dass Du Dich immer für das Wohlergehen des Partners verantwortlich gefühlt hast. ICh muss dafür sorgen, dass er ...
Und was tat er? Blockierte und verweigerte, auch weil ihm Deine Stärke seine Schwäche vor Augen hielt.
Du bist eine Kümmerin, das sagst Du selbst, aber keiner der sich kümmert, tut es, ohne etwas dafür zu wollen. Das ist nicht schlimm, sondern normal. Aber Du ziehst positive Emotionen daraus, es motiviert Dich. Das ist gut, denn das ist für eine Arbeit im sozialen Bereich eine sehr gute Eigenschaft. Aber natürlich ziehst Du daraus auch Befriedigung und das ist Dein Lohn. Das ist nichts Schlechtes, aber natürlich willst Du dafür auch was haben.
Interessant ist Deine Berufswahl. Du arbeitest beruflich mit sehr schwierigen Menschen, mit gescheiterten, die ein normales Leben nicht mehr auf die Reihe bringen. Und zu Hause bei Dir war es dasselbe. Du hattest keinen Partner, sondern mehr und mehr einen Patienten. Ist Dir das schon mal aufgefallen? Interessante Parallele!
schiffchen92 hat geschrieben:Ich denke, dass du Recht hattest, dass ich ihn irgendwie gerne therapieren wollte.
Nicht irgendwie! Nein, Du wolltest ihn therapieren, weil Du das so gewöhnt bist. Schau mal Deinen Beruf an! Und Du hast Dir dafür unbewusst auch einen geeigneten Mann ausgesucht. Mit einem starken und selbstbewussten Mann hättest Du vermutlich nichts anfangen können.
schiffchen92 hat geschrieben:Ich hatte nicht daa Gefühl, dass ich dauernd leiten oder lenken musste. Er war eigentlich ein Mann der im Großen und Ganzen wusste was er wollte,der auch mal leiten konnte. Ein Grund weshalb ich mich damals in ihn verliebt habe
Ich glaube, dass wir unbewusst ganz andere Dinge aufnehmen. Vordergründig war er ein Mann, der wusste was er wollte. Aber ich schätze, dass Dein Unterbewusstsein da auch was anderes gewittert hat und dass daher Deine Antennen auf Empfang waren.
Und natürlich zeigt man in der Anfangszeit nicht sein wahres Ich, sondern das, was man gerne sein möchte. Die dahinter liegenden Dinge kommen erst mit dem Alltag zum Vorschein.
Ich habe mich auch oft gefragt, warum mich gerade dieser Mann gleich beim ersten Treffen so faszinierte. Ich habe es bis heute nicht ergründet, aber etwas führte mich zu ihm. Ich habe ihn gebraucht, denn ich hatte ja auch noch eine Aufgabe zu erledigen, die man aber für sich erledigen muss. Ich musste lernen, mich zu lieben. Ich musste lernen, dass ich nicht schlechter bin als Andere. Und diese Dinge kann kein Partner erledigen, die muss man selbst tun, aber dazu muss man sie erst Mal sehen.
schiffchen92 hat geschrieben:Das hat er nach einem Jahr gemacht - vielleicht für 10 Minuten, vielleicht war er gar nicht da..
Typisch Mann, die wollen sich ihren Verletzungen einfach nicht stellen. Sie brauchen niemanden, das glauben sie zumindest und dann schau Dir das an, was aus ihm geworden ist! Eine Katastrophe!
schiffchen92 hat geschrieben: War unzufrieden wirklich mit allem...
Wer unzufrieden ist mit sich selbst, der ist mit allem unzufrieden. Da stört die Fliege an der Wand, da werden Dinge gesucht, die einen stören,damit man das was dahinter steckt, nicht sehen muss. Dass man sich selbst nicht leiden kann nämlich.
Dann ließ er sich immer mehr hängen und irgendwann kommt man aus der Schleife nicht mehr raus. Denn das verstärkt sich immer mehr und der Drang, wieder geordnete Bahnen zu leben, lässt immer mehr nach. Die sich selbst erfüllende Prophezeihung ist am Werk: ich bring eh nichts zusammen, ich scheitere sowieso. Und das kommt dann auch und dann sagt man sich wieder: ich habe es doch eh gewusst ...
Eine Lebenshaltung, die blockiert und keine Perspektiven ermöglicht und keine Entwicklung, denn man glaubt ja eh nicht dran, dass sich was zum Positiven ändern könnte. Man steht sich selbst im Weg.
schiffchen92 hat geschrieben:Ich war letztendlich immer die blöde, denn ich hatte ja seine Privatsphäre verletzt, und sowieso alles falsch verstanden (dass man nicht schnüffelt ist mir klar. Das Misstrauen war einfach zwischen zeitlich so groß...).
Dasselbe wie bei mir. Er trickste mich auch immer irgendwie aus. "Nein, das hast Du falsch verstanden, das habe ich doch nie gesagt .. Nein, das ist doch nur eine Bekannte, nicht mehr. Ich lerne halt gerne neue Leute kennen ...
Haben wir jemals darüber gesprochen?" Ja, hatten wir, aber er hatte es vergessen, wie so vieles ... Weil es ihm nicht wichtig war und es ihm am Arsch vorbei ging.
Ich fühlte mich immer als sei ich wieder aufgelaufen und irgendwann verlor ich die Orientierung. Handelte er falsch oder ich? Ich blickte manchmal nicht mehr durch, weil er es immer verstand, Dinge zu seinen Gunsten zu wenden und ich war wie Du und wie immer die Blöde!
Das ist was, was ich ihm nicht verziehen habe. Dieses Uneindeutige, dieses Verschwommene, diese Aussagen, die nichts aussagten, diese Unehrlichkeit.
Kein Wunder, dass ich wie Du immer misstrauischer wurde und schließlich zwanghaft anfing, seine Mails zu checken, wenn ich dort war.
Und als er es merkte, war ich wieder die Blöde und er war oben und konnte mir, die zu seinen Füßen lag, großmütig verzeihen. Die alte Ordnung, er oben und ich unten, hatte sich noch mehr verstärkt.
schiffchen92 hat geschrieben: Das ist alles nur vernebelt da und nicht mehr greifbR...
Kinder, die überfrachtet werden, die zu viel ertragen müssen, wählen oft den Weg des Vergessens, des Zudeckens. DAs ist eine Schutzreaktion. Blöd nur, dass gerade das, was wir nicht spüren, wirkt und unser Handeln oft bestimmt.
Mein Ex. hatte keinerlei Erinnerung an seine Kindheit, es war alles weg. Auch eine Schutzreaktion der verletzten Seele. Er hat dicht gemacht, die schlimmen Dinge ins Unterbewusste verschoben, wo sie jetzt liegen, aber nicht ruhen. Es müssen schlimme Dinge passiert sein. Mutter überfordert und müde und gereizt, denn eineinhalb Jahre nach ihm kamen Zwillinge zur Welt. Sie war ohne viel Unterstützung und der Mann war wohl auch ein Sonderfall. Er flüchtete sich in Arbeit und noch mehr Arbeit und mit seinen Kindern hatte er nicht viel am Hut. Im Gegenteil, er war nicht etwa stolz auf seinen Erstgeborenen, sondern machte ihn oft nieder. Das wusste er noch. Ich glaube, dass da noch Schlimmeres vorfiel, vielleicht wurde er von seinem Vater geprügelt, aber das vermute ich nur.
schiffchen92 hat geschrieben:weil ich das erste mal klar meine Grenzen formuliert habe - das kannte er nicht.
Das hättest Du vielleicht schon eher tun sollen. Dich rausnehmen, nicht versuchen, seine Leben mit Ratschlägen und Motivationen anzuschieben. Er muss erst auflaufen, kapieren, dass er was tun muss und manche müssen dazu erst mal auf die Schnauze fallen. Es ist ein Lehrstück des Lebens. Der eine kapiert es früher, der andere später, ein weiterer gar nicht ...
schiffchen92 hat geschrieben:Aber das ist es nicht. Jeder Anruf war voll Traurigkeit. Nur Negatives. Er konnte nicht irgendetwas positives abgewinnen, allies war ' so wie immer'.
Ich have versucht mit ihm zu sprechen, ihm seine Potentiale zu zeigen, zu versuchen das Optimale herauszuholen, ihn zu motivieren an sich zu glauben..Ich habe da Sachen in ihm gesehen, zu denen er nicht bereit war. Er wollte das nicht angehen, er wollte sich damit nicht auseinandersetzen. Und hat alles eher als Bevormundung und Kritik verstanden.
Logisch, weil es von Dir kam. Da konnte er es nicht annehmen. Hätte es ein Außenstehender getan, hätte es vlt. was geholfen. Aber klar, wer lässt sich als Mann, der eigentlich seinen Mann stehen sollte, schon gerne von seiner Partnerin sagen, was er alles falsch macht und nicht schafft, denn genau das hast Du ihm ja signalisiert. Du hast ihm dadurch vor Augen geführt, dass er ein Trottel ist (verstärkt ausgedrückt).
schiffchen92 hat geschrieben:Vielleicht habe ich das aus dem Egoismus herausgetan, weil auch ich mit ihm wieder glücklich werden wollte.
Das ist doch klar. Keiner "arbeitet" umsonst und Arbeit war es ja auch. Unermüdlich hast Du ihm zur Seite gestanden, ihm den krummen Rücken gestärkt und ihn dadurch immer mehr in die Rolle des Schwachen gedrückt. Und natürlich wolltest Du was dafür, ist doch logisch! Ist ja auch nicht schlimm, aber erkennen kann man es doch. Ich wollte mit ihm glücklich werden, ihn glücklich machen, damit auch ich glücklich bin. Das ist ja nichts Verwerfliches, sondern ganz natürlich. Ich wollte ihn auch glücklich machen, aber bei mir war mehr Eigennutz dabei. Ich mache Dich glücklich oder versuche es zumindest, dass ich endlich glücklich über mich selbst bin. Ich glaube, mir ging es viel um mich, aber das erkannte ich erst viel später. Ich war nicht uneigennützig und er spürte die Aufgabe, die er erfüllen sollte und daher musste er gehen. Das Gute daran: ich fing erstmals an, mich zu hinterfragen und zu begreifen, dass es um mich ging und nicht um ihn. Er war sowas wie ein Funktionsträger und daher musste ich mir eingestehen, dass auch ich ihn missbraucht hatte für eigene Zwecke.
schiffchen92 hat geschrieben: Das war nicht mein Recht und auch ich fühle mich deshalb schlecht...
Dein Recht war es schon, aber Du hast Dinge getan, die er nicht annehmen konnte.
schiffchen92 hat geschrieben:Jetzt habe ich dennoch das schlechte Gefühl, dass er alles nur als Druck empfunden hat und nicht als Hilfestellung.
Warum? Du hast das getan, was Dir damals richtig erschien. Vorwürfe sind da fehl am Platz, denn Du hattest keine schlechten Absichten, sondern gute. Und Du hast verdammt viel investiert und viel Ausdauer und Geduld bewiesen. Aber er hat das nicht gewürdigt, weil er es nicht konnte. Wenn Du so willst, Versagen beiderseits.
Jeder tut das Richtige und dabei doch das Falsche. Und das ist nichts, wofür man sich die Schuld geben muss. Damals war es nicht anders möglich und ob es heute anders möglich wäre, bezweifle ich. Wenn nur einer hinterfragt und der Andere bequem im Status quo verharrt, kann es sowieso nicht gelingen, denn er würde nur wieder sehen, was Du alles hinterfragst und analysierst, während er ...
Ihr wärt so weit wie vorher.Das kluge Schiffchen und der schwache Herr X!
schiffchen92 hat geschrieben:Zum Schluss hat er mich angefleht einen Plan zu machen, um unsere Beziehung zu retten - wobei er glaube ich eher sich selbst meinte.
Das macht mich gerade wütend! Du sollst einen Plan machen und wo ist sein Anteil? Mach doch mal einen Plan, wie wir das hinbekommen, dass ich meinen Arsch in die Höhe bekomme und es annehmen kann, dass Du mich unterstützt. Hat der Kerl sowas wie Eigenverantwortung im Leib bzw. im Hirn? Bodenlos!
Verantwortung abgeben, heißt das. Mach Du mal, denn ich kann es eh nicht, aber mache es so, dass ich damit klar komme! Sonst noch was?
schiffchen92 hat geschrieben: warum magst du mich denn eigentlich, ich mache doch gar nichts. Ich bin nur da.
Vielleicht ist Dein Nur-Da-Sein wichtiger und erfolgreicher als Dein Machen? Ich habe eine Freundin, deren Tochter schwer krebskrank ist. Ich mache auch nichts, aber ich bin da, höre mir an was sie sagt, nehme sie in den Arm. Und ich gebe keine Tipps, weil ich keine geben kann. Ich bin für sie da und mehr nicht. Das ist wohl hilfreicher als wenn einer ständig sagt: sie doch mal dies und jenes so und so!
schiffchen92 hat geschrieben:Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es noch er ist, denn ich könnte nicht sagen, was ich an ihm noch so toll finde, das solch heftigen Gefühle erklären könnte.
Das gibt mir zu denken. Ich kann Dir nur meine Gedanken dazu mitteilen. rausfinden musst Du es selbst. Schuldgefühle, die Dich blockieren und Dir suggerieren, dass er für Dich von Bedeutung ist? Oder vielleicht das dumpfe Gefühl, dass Du Deine eigentliche Mission (das Helfen und Unterstützen und Anschieben) im Moment nicht erfüllen musst, weil sie nicht gebraucht wird? Fühlst Du dich nutzlos? Scheint mir nicht so, Du kannst es nur nicht annehmen, dass es genügt, dass Du da bist.
Und außerdem sorgte Dein Ex. logischerweise für jede Menge Aufregung in Deinem Leben und jetzt verläuft es so ruhig ... so unaufgeregt ... irgendwie plätschert es nur so dahin ... Vielleicht fehlt Dir gerade das, was Dich in der Ex-Beziehung nervte, Dich forderte?
Hast Du schon mal an eine Therapie gedacht? Vielleicht könnte Dir Jemand da auf die Sprünge helfen, die verborgenen Seiten ans Licht zu holen. Hat nichts mir verrückt zu tun, aber manchmal ist man in einer Sackgasse, wo so was wie ein Wegweiser hilfreich wäre. Ich habe das damals auch genützt, habe nur zweimal mit einem Therapeuten gesprochen, aber vieles was er sagte, hat mich beschäftigt und beschäftigt mich noch heute. Die Arbeit liegt bei Dir, es ist nur eine Hilfestellung, eine Orientierungshilfe, die manchmal Fragen stellt, die einem andere Sichtweisen ermöglichen. Jeder von uns ist ja oft für die eigenen Belange betriebsblind.
Sonnenblume