Der gestrige Abend war leider nicht so schön für mich. Ich hatte Therapie und durfte mir so einiges anhören. Angeblich sei es hauptsächlich meine Schuld, wenn Männer sich schnell von mir abwenden. Laut meiner Therapeutin liegt das nicht daran, dass ich "leicht zu haben" sei oder kein eigenständiges Leben führe, sondern an meiner Art der Kommunikation. Ich habe schon zahlreiche Bücher zu diesem Thema verschlungen und auch diverse Kommunikationstrainings mitgemacht. In jüngeren Jahren hatte ich meine Emotionalität überhaupt nicht unter Kontrolle und konnte ganz schön aufbrausend reagieren, wenn mal was nicht nach meinen Vorstellungen lief.
Im Laufe der Zeit hat sich das stark gebessert. Heute kann ich nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich an die Zeiten denke, als ich anderen Menschen hier und da mal eine Szene gemacht habe. Mir ist längst bewusst, dass die meisten Menschen bei weitem nicht so entspannt damit umgehen können wie z. B. meine Verwandtschaft. Ich habe zwar keine Kraftausdrücke verwendet, aber so Sprüche á la "Du bist so gemein, hast du schon mal daran gedacht wie es mir geht?" sind meiner Erfahrung nach Gift für die Kommunikation.
Meine Therapeutin hat mir dringend empfohlen, in Zukunft meine negativen Gefühle wie Trauer, Wut oder Enttäuschung nicht mehr offen in Gegenwart anderer Leute anzusprechen. Ich bin allgemein kein Trauerkloß, der ständig jammernd durchs Leben geht, sondern ein im Großen und Ganzen sehr fröhlicher Mensch. Aber wenn es mir schlecht geht, dann unterdrücke ich das nicht, sondern rede ganz offen darüber. Ich habe es nicht gelernt, alles Negative mit mir selbst auszumachen. Meine Therapeutin meinte ich würde immer wieder Probleme bekommen, wenn ich nicht bereit bin, mir das anzueignen. Sie war gestern sehr hart und verletzend zu mir. Ist das wirklich Sinn und Zweck einer Therapie? Klar logisch darf sie mir ihre Meinung sagen, das ist ihre Aufgabe... Schließlich mache ich die Therapie, um etwas zu verändern. Aber muss ich mir so einen Tonfall bieten lassen? Privat lasse ich mir das gar nicht gefallen, dass mich jemand anschreit oder mich dermaßen runterputzt wie die Frau gestern.
Es ist nicht so, dass meine negativen Gefühle ständig unüberlegt aus mir herausplatzen. Ich überlege mir vorher sehr genau, was ich sage und wie ich es rüberbringe. Manchmal frage ich auch andere Leute aus meinem Umfeld um Rat, die mir dabei helfen. Trotzdem geht es in den meisten Fällen schief. Menschen, die auf Worte extrem empfindlich reagieren, haben so ihre Probleme mit mir... und das obwohl ich nie beleidigend und nur dann laut werde, wenn jemand anders mir gegenüber laut geworden ist. Wenn es mir nicht gut geht und ich jemandem davon erzähle, dann heißt das nicht dass ich andere Menschen schlecht machen will... dann möchte ich von meinem Gegenüber einfach nur in den Arm genommen und getröstet werden. Die Therapeutin meinte, dass das alles keine Bedeutung hätte, wie ich es meine... ihrer Ansicht nach zählt es nur, wie es beim Gegenüber ankommt.
Meine Beziehungen sind alle meistens genau dann zerbrochen, wenn ich meinen Partnern meine negativen Gefühle mitgeteilt habe. Oder wenn ich gefragt habe, warum sie in bestimmten Situationen anders reagiert haben, als ich das erwartet hatte. Scheinbar können viele Menschen nicht damit umgehen. Und für mich ist es schwer, meinen Frust für mich zu behalten, weil ich das absolut nicht gewohnt bin. Ich kann es versuchen, aber einfach wird es sicher nicht.
Was den besagten Mann angeht, bin ich froh dass wir uns wieder besser verstehen. Wahrscheinlich ist ihm bewusst geworden, dass er genau wie ich seine Fehler hat... ich musste mir von ihm schon mehrmals Vorwürfe anhören, und Szenen gab es seinerseits auch schon. Aber gerade weil er nicht perfekt ist, mag und schätze ich diesen Menschen sehr. Ansonsten lasse ich mich von dem harten Tobak nicht runterziehen, den ich gestern zu hören bekommen habe - das Leben geht weiter

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