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von Sonnenblume10 » Fr 2. Nov 2012, 15:03
Hallo, Greta,
Du lebst noch in der Illusion, es könnte noch was werden. Vielleicht könnte es das auch, vielleicht auch nicht ...
Ich bin weder eine Therapeutin und noch viel weniger als ein Hellseherin.
Du willst noch nicht wahrhaben, was Sache ist. Du trauerst, denn er hat sich drei Monate nicht gemeldet und allmählich kriegst Du es mit der Angst zu tun, es könnte ein endgültiges Ende sein. Du hast ein Stück weit die Hoffnung aufgegeben und Du realisierst, dass er sich womöglich gar nicht mehr meldet und Du wieder alleine sein wirst. Die Folge davon sind Traurigkeit, Weinen und Angst vor dem Alleinsein.
Die Trauer wird vergehen, aber es dauert verdammt lange, die Tränen werden versiegen und dass Du bei Deinen Unternehmungen an ihn denkst und ihn Dir zurückwünschst, ist auch klar. Kurz nach der Trennung ging ich in einen Kinofilm, alleine, weil ich das Gefühl hatte, ich müsste etwas für mich tun. Und dann saß ich also im Kino, das spärlich besucht war. Zum Glück, denn mir liefen die Tränen runter wie Sturzbäche und ich sah auf den Sitz links neben mir, wo ER hätte sitzen sollen ... Es dauert, bis man den Beschäftigungen wieder einen Wert abgewinnt, anfangs ist alles nur schnöde und oft genug trostlose Beschäftigungstherapie. Gespräche mit Freundinnen, ach was hatten die für banale Probleme! Was war das alles gegen meinen Kummer, von dem ich nichts erzählte. Sport, Bewegung, ja klar, aber das half auch nur zeitweise. Es ist einfach so, dass anfangs nichts zufrieden und glücklich macht, da man immer nur an das Eine und vor allem den Einen denkt und traurig ist.
Dass Du noch Gefühle hast, ist sonnenklar, dass er auch noch welche für Dich hat, kann sein. Ist er aber tatsächlich ein Bindungsphobiker, was ich vermute, hat er es einfacher als Du. Er lässt andere nicht eng an sich heran, schon aus Selbstschutz. Schuld daran können gescheiterte Beziehungen sein (seine Ehe z.B.), genauso gut aber auch Erfahrungen aus der Kindheit. Und wer keinen an sich ranlässt, wird auch nicht verletzt. Das ist das Credo, das solche Menschen verinnerlicht haben. Andere Menschen, die mich berühren, sind eine Gefahr, denn ich habe Gefühle und Gefühle werden verletzt. Ich werde sowieso verlassen und ich kann keine Beziehung halten. Also helfe ich mir selbst, indem ich andere auf Abstand halte. Trennungen tun diesen Menschen auch nicht sonderlich weh, wie auch? Eine Trennung kann sogar eine Erleichterung sein. Uff, nochmals davon gekommen,ich habe meine Haut gerettet, ich habe die Partnerin weggeschickt, denn die hätte mich ja aufgefressen.
Tja, ob er sich ändern könnte? Nur dann, wenn er selbst den dringenden Wunsch dazu verspürt. Er hat vermutlich das Ende seiner Ehe nicht mal verarbeitet. Damals ging es wohl darum, dass er wieder "lebensfähig", also sozusagen funktionstüchtig wurde. An sich gearbeitet und sich mit sich und der Beziehung auseinander gesetzt, das hat er dann vermieden, denn er funktionierte wieder. Er lebte dann halt weiter, aber ob in ihm etwas statt gefunden hat, bezweifle ich. Ich denke, er hat lediglich verinnerlicht, so was muss ich nicht nochmals haben, mit problematischen Partnerinnen und deren ebenfalls problematischem Anhang. Er will eine Schmalspur- und Wohlfühlbeziehung, alles andere verweigert er, wie mir scheint.
Dass Ihr es auch schön hattet, kann ich gut nachvollziehen. Ich verstand mich auch gut mit ihm, wir hatten guten Gespräche, schöne gemeinsame Unternehmungen und das macht es umso schwerer eine Beziehung aufzugeben. Denn sie hat ja auch ihren Wert. Aber offenbar reichen gemeinsame Interesse nicht aus, eine gute Beziehung zu führen, die beiden etwas gibt.
Ich fragte seinerzeit meinen Therapeuten, ob solche Menschen überhaupt therapierbar sind. Er antwortete mir:
Diese Menschen sehnen sich genauso nach Liebe und Nähe wie alle anderen auch. Haben sie esgefunden, versauen sie sich wieder alles - vor Angst, die ihnen aber nicht bewusst ist. Denn sie haben andere Strategien gewählt: ich lass keinen richtig an mich ran, ich bin ein ganz und gar freier Mensch, ich entscheide sehr selbstbestimmt, ohne dass jemand anderer sich groß einmischen darf. Wenn die überhaupt eine Therapie machen, muss der Leidensdruck schon sehr groß sein. Und auch dann ist es mit ein paar wenigen Sitzungen nicht getan. Also auf die hemdsärmlige Methode, jetzt machen wir mal fünf Sitzungen und dann kriegen wir das hin, funktioniert es nicht. Und es gibt Menschen, bei denen kein Zugang mehr möglich ist, weil sie über ihre Grundängste zu viel Müll aufgetürmt haben.
Ich kann mir das gut vorstellen, dass diese Menschen lieber einer Therapie aus dem Weg gehen. Sie leben ja recht bequem mit ihren Defiziten, der Leidensdruck ist geringer als bei Menschen wie bei Dir und bei mir. Und eine Therapie bedeutet eine Innenschau. Dass sie davor panische Angst haben, ist nachvollziehbar, denn die ganze Existenz, das ganze Gedankengebäude, das sie aufgebaut haben, ist in Frage gestellt.
Und was bedeutet das für Dich? Gesetzt den Fall, er würde überhaupt diesen Schritt in Erwägung ziehen, hätte er tatsächlich den Mut dazu und auch die Ausdauer? Und was willst Du mit ihm, wenn er mit sich selbst befasst ist? Welche Rolle willst Du da spielen? Eine Art Co-Therapeutin, die schicksalsergeben wartet, bis der Partner seine Seelenschau beendet hat? Was glaubst Du, was Du da mitmachen würdest?
Du willst eine Partnerin sein, aber seine Therapeutin kannst Du nicht sein. Du machst damit seine Probleme zu den Deinen, während er es kategorisch ablehnt, Deine Probleme auch zu den seinen zu machen.
Und auch wenn er eine Therapie macht und diese Erfolg zeigt. Es kann leicht geschehen, dass Du mit seinem alten Leben dann ebenfalls der Vergangenheit angehörst, denn Dich braucht er dann ja nicht mehr.
Ich wollte meinen Ex. auch therapieren, habe mir Bücher gekauft und es war leicht zu erkennen, was ihm fehlte. Aber es gibt keine Methode, die man anwenden kann. Ich habe ihm zwar bewusst gemacht, was mit ihm los ist und er zeigte einige Wochen tatsächlich andere Seiten. Ich glaube, er wollte tatsächlich an sich "arbeiten" und ich fühlte mich großartig dabei. Ich hatte ihm den Weg gezeigt, ich würde die Partnerin sein, mit deren Hilfe er "gesund" würde. Es ging nicht lange gut. Einige Monate später hat er mich dann verabschiedet, es sei ihm alles zu eng geworden (Wochenendbeziehung, wobei wir uns ungefähr jedes zweite sahen!) und er sei nicht mehr glücklich, schon lange nicht mehr.
Ich verstand, er wollte ein besserer Partner werden, aber das wäre mit Mühe verbunden gewesen. Und Mühe ist keine Basis für eine Beziehung. Dann musste ich gehen, zumal die Nächste wahrscheinlich schon in den Startlöchern stand. Und dann stand ich da, jämmerlich und einsam. Ich begann, mich mit mir selbst zu befassen. Schön war das nicht, leicht auch nicht, nur lehrreich. Ich bin um einige Illusionen ärmer geworden, was ich manchmal bedaure.
Du fragst, ob er kapiert, dass er Deine Gefühle verletzt. Ich vermute, eher nein. Diesen Menschen geht es nur um sich, sie müssen sich wohl fühlen. Wenn es Dir schlecht geht, spürt er dahinter Deinen Anspruch, den er nicht erfüllen kann und dann macht er die Fliege, entzieht sich. Solche Menschen sind ziemliche Egoisten. Sie sind zwar sehr sensibel, was ihre eigenen Belange angeht, sehr verletztlich. Aber gegenüber der Umwelt zeigen sie meist sehr wenig Zartgefühl. Sie können verletzen und sie merken es nicht mal. Wenn Du dann todtraurig bist, dann fragen sie vielleicht, was Dir eigentlich fehlt, aber dass sie sich in einen anderen Menschen hinein versetzen können, glaube ich nicht. Meiner konnte es nicht. Er begriff zwar, wenn ich es ihm sagte, warum ich traurig war, aber begreifen heißt noch lange nicht verinnerlichen. Er löste das mit seinem Verstand, aber Mitgefühl mit anderen war wenig vorhanden. Wer Mitgefühl hat, trampelt nicht wissentlich auf den Gefühlen des Partners rum, sondern fragt sich, was er damit anrichtet.
Ich verstehe gut, welchen Wert dieser Mann für Dich hat, zumal Du auch Deine Probleme hast, Dich für einen anderen zu öffnen. Das erinnert mich fatal an mich selbst, ging mir auch so. Mit keinem hatte ich je diese Intimität, diese Nähe erlebt, ich hing an ihm wie an keinem anderen. Erst später erkannte ich, dass auch ich engen Beziehungen erfolgreich aus dem Weg ging. Männer, die mir hinterher liefen, interessierten mich nicht. Solche, die ich nicht leicht haben konnte, die reizten mich. Da lief ich zur Hochform auf und wurde die scheinbar ideale Partnerin. Und warum suchte ich mir keinen Mann, mit dem ich es einfach gemütlich und gut haben würde? Ich selbst habe ein Problem. Ich suche da enge Bindungen, wo ich sie garantiert nicht bekomme (er ist zu jung oder viel zu alt, er ist anderweitig gebunden oder bindungsphobisch) und dahinter steckt nichts anderes, als auch dass ich eine Heidenangst vor allzu engen Bindungen habe. Ich gehe nur den anderen Weg. Ich begebe mich in solchen Beziehungen immer willig in die Rolle des verlustängstlichen Partners, der alles für den Erhalt einer Beziehung tut. Und er war mein perfektes Gegenstück. Damit ich meine Verlustängste und er seine Bindungsphobie richtig ausleben konnten, brauchte es das fehlende Teil zum Puzzle. Zwei kamen zusammen, die scheinbar perfekt harmonieren, nur dass zumindest einer dabei vor die Hunde geht.
Und gleichzeitig befriedigt es das eigene Ego ungemein, wenn man jemanden sozusagen erobern, ihn zurecht biegen muss. Das scheint mir bei Dir auch zu sein, man spielt sich als eine Art Retter auf, man entwickelt missionarisches Bewusstsein und fühlt sich noch großartig dabei - zunächst.
Je länger die Beziehung dauert, desto kleiner wird man, desto mehr gibt man sich auf und desto mehr Angst hat man vor dem Verlassenwerden, obwohl man eigentlich die ganze Zeit fühlt, dass die Beziehung auf tönernen Füßen steht. Und warum? ER ist der Dreh- und Angelpunkt Deines Lebens, alle Gedanken kreisen um ihn, um die Schrottbeziehung. Die Beziehung ist Dein Leben und wenn sie weg ist, was hast Du dann noch? Nicht viel, oder? Genauso wie ich.
Vielleicht ist er keiner von der extremen Sorte, aber schau genau hin und überlege Dir ob es die Mühe wert ist. Wenn er tatsächlich wieder kommt und es weiter geht mit Euch, dann brauchst Du in einigen Monaten auch nicht zu jammern, dass es doch nicht geklappt hat.
Hör genau in Dich hinein. Was sagt Dir Dein Kompass? Sagt er Dir, dass die Beziehung nichts taugt, nie so werden wird, dass auch Du zufrieden bist und Dich aufgehoben fühlst, dann hör darauf. Schlechte Gefühle, Vorahnungen, Zweifel sind meist nicht unbegründet. Nur dass wir nicht gerne darauf hören und uns selbst einreden, es war doch so schön und es wird auch eines Tages so werden, dass ich glücklich bin.
Eine Trennung überlebt man. Die Trauer vergeht, der Kummer wird weniger, die Trostlosigkeit und Verlassenheit verschwinden, es dauert allerdings lange Monate. Die Zeit muss man sich geben. Aber schrittweise wird es besser. Und dann wird das eigene Leben eines Tages auch wieder lebenswert. Eines Tages stellt man erstaunt fest: der Kummer ist weg, er ist unbemerkt gegangen.
Ich möchte Dir noch eine Ratgeber empfehlen, der mir die Augen geöffnet hat, nicht nur über ihn, sondern auch über mich.
"Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen" von Stefanie Stahl. Zum Erkennen ist er gut geeignet, beim Bewältigen sieht es anders aus, da bleibt es oft bei Empfehlungen, die man, wenn man selbst in der Situation steckt, nicht so leicht umsetzen kann.
Ich möchte Dir raten, fang bei Dir selbst an. Versuche Dich kennenzulernen. Schau Dir Deine Beziehungen an und schau Dir Dein Elternhaus an. Da liegt auch der Schlüssel zu Deinem Lebensmuster. Wir leben immer das nach, was wir als Kind gelebt haben. Wir können nicht anders, weil wir nichts anderes kennen. Wer das Glück nur in einem anderen Menschen sucht, wird es nicht finden.
LG
Sonnenblume