Immer wieder erstaunlich, was passiert, wenn nach einer Trennung etwas Ruhe eingekehrt ist und Zeit fürs Reflektieren ist. Man entdeckt so vieles, auch bei sich selbst.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich in manchen Dingen selbst nicht mehr weiß was ich will, obwohl man mir nachsagt, dass ich ganz genau weiß was ich will und eine sehr klare Linie habe.
Ich nehme an, dass es hier um das Beziehungsthema geht. Und genau dort sind wir am verletzlichsten, denn wir haben große Hoffnungen und Erwartungen. Ob sie sich aber erfüllen weiß man auf lange Sicht nicht. Und weil hier Ängste, Hoffnungen, Erwartungen im Spiel sind, fühlen wir uns oft unsicher und wissen nicht so recht, wohin wir uns orientieren sollen. Nach einer Trennung ist das doppelt schwer, weil hier ja auch Enttäuschungen da sind.
Du kannst im Alltag prima funktionieren, alles im Griff haben und bist bei diesem Thema unsicher, zögerlich und unentschlossen. Es sind zwei verschiedene Ebenen, auf denen wir unterschiedlich agieren.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Das Thema Kinder hat aber zunehmend Panik in mir ausgelöst. Liegt vielleicht auch daran, dass er mir mit fortschreitender Zeit nicht genug Sicherheit und Verlässlichkeit vermitteln konnte.
Zum einen muss ja der Background stimmen. Also eine gesicherte Existenz, eine gesunde Beziehung, auf die man aufbauen kann. Wenn hier die ersten Störfaktoren auftreten, ist kein Fundament für weitere Planungen da. Wäre die Beziehung gut gelaufen und hätten die Rahmenbedingungen gestimmt, hätte es vlt. auch eher Absichten für eine Familiengründung gegeben. Ihr habt Euch kennengelernt, wolltet zwar Familie - irgendwann mal. Das sagt sich so leicht, wenn der Himmel voller Geigen ist und das Ganze nur so dahin gesagt wird. Wenn es aber dann konkret wird, kann es durchaus sein, dass man auf einmal abwägt: was passiert mit mir? Kann ich mir vorstellen, mein Leben grundlegend zu verändern? Die nächsten Monate, ja Jahre mit Windeln und Fläschchen und Rund-um-Betreuung eines Babies zu verbringen? Was ist mit meinem Job, was mit dem Verdienst? Wenn es ernst wird, kommen auch Ängste ins Spiel, vor allem bei Menschen, die sich bereits im Leben etabliert haben.
Sprich, zu den Rahmenbedingungen muss auch eine innere Bereitschaft da sein und anscheinend ist sie bei Dir nicht da.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Hinzu kommt bei mir eine gewisse Angst, dass ich durch Kinder meine Autonomie und meine Rolle als Partnerin verliere und die Verantwortung in die Hände einer anderen Person legen muss. Sein Verhalten hat meine Ängste vermutlich verstärkt. Ebenso hat das Thema Zusammenziehen, bei dem wir ja keine Lösung gefunden haben, zunehmend Angst in mir ausgelöst. Wozu sollte ich Job, Umfeld, Wohnung etc. - Dinge die ich mir aufgebaut habe und mit denen ich sehr zufrieden bin - aufgeben um zu jemanden zu ziehen, der mir den Eindruck vermittelt, dass alles andere wichtiger ist als ich und der mir das Gefühl gibt, dass alles was ich sage und erzähle uninteressanter ist als das belanglose Gequatsche von irgendwelchen Leuten?
Eine gewisse Angst? Ich würde sagen, eher Panik. Du hast gesehen, wohin der Hase läuft. Der hoppelte ziellos über die Felder und eine Linie war nicht erkennbar. Und genau das hast Du bei Deinem Partner auch gespürt. Der hat zu wenig innere Substanz, bietet keinerlei Verlässlichkeit und Sicherheit und da ist dann auch kein Platz für Gedanken an Kinder, denn es stimmte ja schon lange nicht mehr.
Du hast gespürt, dass Du alles aufgeben müsstest und hast geahnt, dass Du für Kindererziehung etc. zum überwiegenden Teil da wärst, wäre es jemals so weit gekommen. Er hätte sein Leben nicht groß geändert und das wusstest Du auch. Und daher ging dann Dein inneres Alarmsystem an. Wie gut, dass das funktioniert hat!
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Nein, ich hätte das nicht gemacht und ich weiß, dass es richtig so war. Denn auf dieser Basis hätte es sowieso nicht geklappt. Unabhängig von seinem Verhalten, muss ich aber zugeben, dass mir die Vorstellung 24/7 auch ein wenig Angst macht.
Stimmt, insofern war die Trennung eine logische Konsequenz. Das Thema 24/7 ist nicht einfach. Eines der schwierigsten Themen überhaupt. Von einer Verliebtheit in eine echte Beziehung überzugehen, ist schon schwierig. Dann zusammen zu ziehen und den Partner tagtäglich auszuhalten, ist nochmals eine andere Hausnummer. Denn erst da lernt man sich richtig kennen und kann absehen, ob man von der Verliebtheit auch in eine Liebe, die aushält und erträgt und trotz mancher Probleme hält, überhaupt kommt.
Auch hier sprichst Du von ein wenig Angst. Sei mal ehrlich, dahinter steht eine große Angst! Und das nicht zu Unrecht.
Das kann auch nur klappen, wenn Du das Gefühl hast, dass Du durch das Umswitchen auf eine richtige Beziehung und die Elternschaft letztendlich mehr gewinnst als Du aufgibst. Bei Dir ist es umgekehrt. Du müsstest viel aufgeben und das wiegt die Beziehung nicht auf, zumindest nicht die mit dem Ex. Die schon gar nicht!
Ich habe so das diffuse Gefühl, dass hier zwei bindungsvermeidende Menschen zusammen kamen. Er, der aktiv eine Beziehung verhinderte, indem er sein Ding machte, sein Hobby umsetzte und das Geschwätz einer Partnerin gar nicht richtig zur Kenntnis nahm. Und Du konntest gefahrlos hinterher laufen, weil Dein Unterbewusstsein längst wusste, dass es eh nichts wird. Vordergründig hast Du auf eine Beziehung hingearbeitet, hintergründig konntest Du das aber nur, weil Dein Unterbewusstsein sich bequem zurück lehnte. Es gibt keine richtige Beziehung, also kein Grund zur Panik! Und aus dieser "Sicherheit" heraus konntest Du Dich an ihm abarbeiten. Erfolglos, aber Deinem Unterbewusstsein, wo Deine Bindungsängste zu Hause sind, war es recht so bzw. egal.
Du solltest Dich wirklich mit dem Thema auseinander setzen, denn Du bist selbst mit im Boot.
In aller Regel kommt ein bindungsängstlicher Mensch nicht allein, es kommen in der Regel zwei von der Sorte zusammen, die zwar dieselbe "Krankheit" haben, sie aber unterschiedlich behandeln bzw. ausleben.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Er ist diesbezüglich das Gegenteil: hält es kaum einen Abend alleine aus und halst sich Freizeitstress auf, der ihm im Endeffekt eigentlich zu viel wird. Das Problem scheint er mittlerweile selbst schon erkannt zu haben: wer nicht alleine sein kann, wird langfristige keine ordentliche Beziehung führen könne.
Er ist ein klassisches Fluchttier, das sich selbst davon läuft. Nur nicht nachdenken, nur keine Zeit haben, Alleinsein zu spüren, nur keine Gedanken über sich selbst zulassen! Die Strategie ist dann der Freizeitstress.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Zusammengefasst: Es geht ihm schlecht und er hat festgestellt, dass sein ganzes Leben vom Thema Angst bestimmt ist. Es folgen einige Ausführungen wie toll und einzigartig unsere Beziehung war. Was das Thema Zukunft betrifft hatte er Angst davor zu 100% offen mit mir zu reden. Er wird sich einen Therapeuten nehmen.
Ich hoffe, er tut es. Dann hatte die gescheiterte Beziehung auch einen Wert für ihn. Er ist jetzt auf sich selbst zurückgeworfen, fühlt sich allein, weswegen er immer wieder bei Dir aufschlägt. Er vermisst eine vertraute Person und sieht jetzt den Wert des Vertrauens und der Nähe, was er vorher boykottiert hat.
Er hatte Angst, zu 100% offen zu reden. Naja, keiner redet jemals zu 100% offen. Allenfalls 70% und das ist schon viel, sofern man das überhaupt quantifizieren kann. Er aber hat eigentlich gar nicht darüber geredet, sondern sich lieber auf nichtssagende Allgemeinplätze zurückgezogen bzw. das Thema vermieden.
Kennst Du das? Auf brennende Fragen bekommst Du verschwurbelte Antworten, die Deine Unsicherheit letztendlich noch verstärken. Auf Nachfragen kommen verschleierte Äußerungen, der Rückzug auf Allgemeinplätze oder als Krönung des Ganzen noch Gegenfragen. Mein Ex. war ein Meister darin, mich auflaufen zu lassen.
Klein doofi Sonnenblume fragt was und wünscht sich endlich eine Antwort mit Hand und Fuß, die die Verunsicherung vertreiben soll. Der große Meister zieht sämtliche Kommunikationstechniken des aktiven Bindungsvermeiders aus dem Hut und klein Doofi steht wieder als doof da. Die dumme Sonnenblume wünschte sich Sicherheit und eine Orientierung und erntet wieder mal eine Breitseite, was die Verunsicherung noch verstärkte. Hinzu kam die Schmach, dass ich hoffnungslos unterlegen war. Diese sog. Beziehung basierte von vornherein auf einem gigantischen Machtgefälle, das sich immer weiter zu seinen Gunsten verschob. Ich war die Blöde, die hinterher hampelte, machte und tat. Belohnt wurde ich nicht, zumindest nicht von ihm und das war gut so, denn so funktionieren Beziehungen nicht.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Ich habe das “Luxusproblem“, dass er sich recht oft meldet. Das macht die Kontaktsperre irgendwie doppelt so schwer.
Selbstverständlich erschwert das die Ablösung. Sie findet gar nicht statt, weil man ständig vom Anderen erfährt, wieder über ihn nachdenkt und von sich selbst abgelenkt wird. Willst Du einen klaren Cut, musst Du dafür sorgen, dass seine Tiraden ins Leere laufen. Das erscheint Dir dann wiederum herzlos. Aber im Grund genommen haben sich jetzt die Machtverhältnisse verschoben. Er ist jetzt unten und sucht Halt und Orientierung bei seiner Anlaufstelle. Das rührt natürlich Dein Herz. Und es ist Balsam für Dein Selbstgefühl, denn jetzt bist Du oben. Endlich! Das ist ein gutes Gefühl, oder nicht?
Allerdings keine Basis für Irgendwas, sondern lediglich eine Verschiebung.
Im Grund genommen ist das gerade bei Bindungsvermeidern sehr häufig. Erst wollen sie allein sein und sind erleichtert. Mit der Zeit kommt die Einsamkeit, die unbequem ist. Und dann docken sie wieder an. Bis sie einen wieder an sich gebunden haben. Dann können sie sich gefahrlos wieder zurückziehen, denn das Öfchen ist sicher und steht bereit. Du bist jetzt Herzenswärmer und eine Art Therapeutin, der er sich jetzt anvertraut. Jetzt, wo es zu spät ist! Jetzt, wo er merkt, dass Du die Ablösung leichter schaffst als er. Und dann kommt der kleine Bub zum Vorschein, der sich selbst leid tut.
Du bist ja die taffe Frau, die ihr Leben im Griff hat und er sieht erst jetzt, was er eigentlich ist und da schaudert es ihn, wenn er so zurück geworfen ist auf sich.
An eine Therapie glaube ich bei ihm dennoch nicht. Das sind nur dahin gesagte Pläne, ob die jemals umgesetzt werden, bleibt fraglich.
Jetzt, wo Du weg bist und er seine Sicherheit verloren hat, macht ihm wahrscheinlich auch sein Hobby weniger Spaß. Das war bis jetzt als Fluchtpunkt sehr wichtig.
Lu_na hat geschrieben: ↑Di 21. Mai 2019, 19:58
Ich bleibe jetzt ruhig und brauche auch nicht auf irgendwas zu warten, da ich ihm schon vor einigen Tagen durch die Blume gesagt habe, dass Ruhe einkehren muss und alles weitere in meiner Hand liegt.
Hui, da spricht der Part, der jetzt die Macht und Entscheidungsgewalt hat! Du polierst jetzt ein wenig Dein Selbstgefühl mit seiner Krise auf. Ich kann es verstehen, Du hast viel eingesteckt. Aber im Grund genommen ist es natürlich auch Selbstbestätigung. Denn wie gesagt, jetzt bist Du oben.
Ich denke, auf längere Sicht kommt Ihr um einen Cut nicht drum rum. Er soll sich jetzt mal seine Wunden lecken, was er ausführlich tut und wofür er Dich auch benützt. Unbewusst, aber eben doch. Und Du genießt jetzt das Gefühl der Macht. Denn Du kannst Dich bequem zurück lehnen und schauen, was passiert.
"Gesund" wirst Du damit nicht. Erst durch einen klaren Schnitt bist Du in der Lage, Dich selbst zu sehen. Und da wird nicht alles angenehm sein. Im Gegenteil kannst Du Seiten an Dir entdecken, die Dir nicht gefallen werden, die Du aber auch akzeptieren musst.
Und er hat dann die Zeit, mit sich ins Reine zu kommen. Vlt. tatsächlich professionelle Hilfe suchen, aber eben nur sehr vielleicht.
Und daraus kann dann so was wie Versöhnung entstehen. Mit sich und dem Ex.
Meist bleibt dann gar nichts mehr übrig. Man entfernt sich im Lauf der Zeit immer mehr, dass der Ex. und sein Leben uninteressant werden. Wenn man sich dann sieht, grüßt man sich und geht weiter. Ich habe das schon oft erlebt. Erst komme ich über Monate nicht los, dann brauche ich Monate, bis der Abstand sukzessive größer wird und irgendwann ist dann der Abstand so groß, dass mich der Typ gar nicht mehr tangiert. Daher glaube ich auch nicht daran, dass nach einer Trennung wieder eine Beziehung mit diesem Menschen entstehen kann.
Sonnenblume