Mann ist im Rückzug aber stalkt mich

[Pflichtbewusstsein]

Hallo.
Ich bin seit einiger Zeit wirklich ratlos... und wollte hören was ihr dazu zu sagen habt .... bzw darüber denkt.

Es gibt da einen Mann in meinem Leben... den kenn ich seit 24 Jahren. Ich glaub ich hab mich damals in ihn verliebt. Wir hatten uns sehr viele Jahre aus den Augen verloren.
Naja... jedenfalls haben wir seit eineinhalb Jahren mehr Kontakt zueinander. Es fing schnell an... dann kam ein schneller Rückzug von ihm. (Wir hatten bisher keinen Sex)
Dann kam nach einer Zeit wieder eine Annäherung seiner seits. Als es immer schöner wurde.... Rückzug! Dann Schweigen! Dann wieder Annäherung... besser und schöner als vorher... dann wieder Rückzug!
Jedesmal wenn unser Treffen besonders schön war... wir uns spitze verstanden haben... hat er mir hinterher vorgeworfen ich würde mir zuviel von ihm erwarten. Was absoluter Blödsinn ist. Anscheinend löse ich Erwartungsdruck in ihm aus.
Nachdem die schönen Zeiten wahnsinnig unter die Haut gegangen sind und sein wegstossen mich verletzt hat und mich etwas aus der Bahn geworfen hat, hab ich mich zurückgezogen. Ich brauchte 3Monate für mich um mir darüber klar zu werden was ich will und natürlich um mich wieder auf die Reihe zu kriegen. In dieser Zeit ging er mir zuerst aus dem Weg... dann lief er mir ständig über den Weg. Ich nahm den Kontakt nicht auf... da er es nach dem Rückzug immer so machte und ich mich dann gemeldet hab.
Nach diesen 3Monaten ... als ich Klarheit über mich hatte... hab ich ihn kontaktiert. Er lud mich sofort auf einen Kaffee zu sich ein. Öffnete mir die Türe noch bevor ich läuten konnte ... nahm mich in den Arm und drückte mir einen Schmatz auf die Wange und sagte er freut sich dass ich da bin.
Naja... es war ein tolles Gespräch... dann legte er einen Schalter um ... kühl ...distanziert... und sagt mir er habe inzwischen jemanden kennengelernt. Fragte mich wie es mir in dem Moment jetzt geht. Ich antwortete... dass ich Gefühle für ihn habe und er mir total unter die Haut geht... aber dass ich es halt nicht ändern kann. Bin dann gegangen.... er umarmte mich noch und fasste mir dabei auf den Hintern!
Das war mitte Oktober! Seither Schweigen! Zu Weihnachten hat er geschrieben... zu Sylvester ich. Seither wieder nicht's!
Er geht mir seit Oktober aus dem Weg... hat aber Ende November damit begonnen mit dem Auto im Schritttempo bei meinem Wohnort vorbeizufahren... oder gegenüber vom Haus zu parken .... mit Sicht zu mir. Immer nur ganz kurz... 1 Minute. Wenn er mich sieht fährt er sofort weg. Fährt im Schnitt so jeden zweiten Tag... wo ich ihn gesehen hab... Dunkelziffer??? Schreibt aber nicht und meidet es scheinbar mir über den Weg zu laufen. Habe nicht die Möglichkeiten ihn zu fragen was das soll!Habe im Jänner nachdem nichts kam seine Nummer aus meinem Handy gelöscht um nicht in Versuchung zu kommen ihm zu schreiben.... da ich auch der Meinung bin... wenn ihm was daran liegt... läge es an ihm sich zu melden. Würde aber auch sicher keine ehrliche Antwort erhalten.... da es ihm sicher peinlich wäre.
Er ist doch normalerweise ein wahnsinns Mann.... starke Ausstrahlung... herzlich und sehr bodenständig... hat sein Leben im Griff! Ich versteh es nicht. Ich habe auch keine Angst vor ihm.... ich liebe ihn!
Kann aber das alles nicht verstehen und kann mit dem Schweigen nicht umgehen!
Bitte um ehrliche Meinungen.

[Sonnenblume10]

Klassische Bindungsangst von der ausgeprägten Sorte, würde ich sagen. Das Verhalten spricht Bände. Er schwankt zwischen zwei Zuständen. Wenn Du ferne warst und Distanz eingekehrt ist, weil auch Du Dich zurückgezogen hast, stellt er schnell wieder Nähe her. Hat er diese, dann muss er sie zwanghaft wieder beenden und knallt Dir wieder eine vor den Latz.
Mit Kühle, mit Zurückweisung, mit Schweigen, mit Abtauchen. Dann hat er wieder genug Ferne, die ihm auch nicht gefällt und kommt wieder an bzw. nimmt Dich wieder mal in die Arme. Kaum gehst Du darauf ein, wird es ihm zuviel und er wird aggressiv. Sein Verhalten ist aggressiv und das äußert sich nicht nur in verletzenden Worten und Vorwürfen. Es gibt auch eine passive Aggressivität und die praktiziert er meisterhaft. Sie besteht im Abtauchen (ich bin dann mal weg!), in Schweigen, in emotionalem Rückzug.
Und so schwankt er zwischen zwei Extremen, wird aber nie den Mittelweg finden.

Du hast die untergeordnete Position, denn Du glaubst ihn zu lieben (Du liebst ihn nicht, Du glaubst nur ihn zu lieben, weil er so unerreichbar und so undurchschaubar ist) und befindest Dich in einem Zustand emotionaler Abhängigkeit. Wenn er Dir etwas gibt, was Du haben willst, schmilzt Du dahin und alles ist vergessen. Genauso schnell geht es in die andere Richtung und Du kommst wieder in den Eiseskeller der Enttäuschung und Ratlosigkeit. Auch Du schwankst zwangsläufig zwischen den Extremen und dieses Leben hält Dich auf Trab. Es ist wie eine Droge, weil die Gefühle so gegensätzlich und stark sind, von der Du Dich nur schlecht befreien kannst.

Sein Stalken: das ist sehr unerfreulich und es wirkt auch irgendwie bedrohlich. Es zeigt, dass Du ihm zwar etwas bedeutest und auch er sich nicht lösen kann und will, denn er füttert seine Sehnsucht. Im Sehnsucht fühlen sind solche Menschen ganz groß, denn was ist denn leichter als Sehnsucht zu haben nach Jemandem, der gerade nicht da ist. Dann stellt er durch sein Stalking quasi wieder Nähe her und wenn er "erwischt" wird, verschwindet er, weil er sich schämt.

Ich gebe Dir einen guten Rat, denn ich hatte auch einen von der Sorte, den ich ganz schlimm empfand, Ich dachte, der wäre die Hardcore-Ausgabe eines Bindungsvermeiders, aber es geht offenbar noch ein paar Nummern größer. Lass diesen Mann sein und leb Dein Leben. Nimm die Beine in die Hand und vermeide jeglichen Kontakt. Schreib ihm nciht mehr, denn jeder Kontakt ist Interesse und streichelt auch sein Ego, aber er wird es Dir todsicher wieder heimzahlen. Und wenn von ihm was kommt, gehe nicht darauf ein.

Diese Männer sind perfekte Blender. Sie stehen meist schweinbar gut im Leben da, sind beruflich erfolgreich, können beträchtlichen Charme entwickeln und sehr gewinnend wirken. Aber wehe dem, der hinter die Fassade schaut, dem kommt das nackte Grauen!

Er ist gestört, todsicher und bräuchte eine Behandlung. Löse Dich und bringe Dich in Sicherheit. Kümmere Dich künftig nur um Dich und Dein Leben und Du wirst eines Tages feststellen, dass Du Dich emotional gelöst hast. Und dann wirst Du erleichtert sein, sehr erleichtert, weil die Beschwernis, die er in Dein Leben brachte, weg ist. Ich spüre das heute noch, wenn ich an diesen Mann denke. Vor allem Erleichterung darüber, dass er weg ist und ich ihn nicht mehr brauche und ich nichts mehr von ihm wissen will.

Er wirkte faszinierend auf mich, irgendwie ein wenig undurchschaubar und gleichzeitig verletzlich, eine unwiderstehliche Mischung, die verschiedene Gefühle in mir ansprach. Interesse, Neugierde, aber auch Fürsorglichkeit und den Kümmerreflex.
Deiner triggerte auch etwas in Dir und daher sagst Du, dass Du ihn liebst. Wenn Liebe mit Angst vor der nächsten Zurückweisung einhergeht, ist es keine Liebe, sondern Sucht.

Bitte, bitte, bringe Dich in Sicherheit! Der ist nichts für Dich. Für Dich nicht und auch für eine Andere nicht. Der macht Dich nur kaputt und das wird er gründlich tun, weil das in seiner Natur liegt. Dahinter ist ein großes Bedürfnis nach Macht und Selbstbestimmtheit, weil sein Ego sehr klein und unterentwickelt ist.

Du hast keine Chance und diese Beziehung, wenn sie denn überhaupt jemals zustande käme, hat keine Chance.

Warum eigentlich stehst du auf so was? Hast Du dich das schon mal gefragt? Liebt man das, was einen quält? Aber vlt. liebt man es, eben weil es einen quält.
Du solltest lieber Dich hinterfragen und Dich fragen, was ist eigentlich mit mir los, dass gerade dieser Mensch so unglaublich attraktiv auf mich wirkt?
Auch bei Dir liegt einiges im Argen, wenn Du Dich zu so was hingezogen fühlst.

Sonnenblume

[Pflichtbewusstsein]

Hi. Danke für deine realistische Einschätzung der Situation. Natürlich habe ich durch sein Verhalten auch angefangen meine Gefühle mein Handeln und meine Motivation zu hinterfragen. Deshalb hab ich auch die Auszeit von 3 Monaten gebraucht. Ich hab mich auch die letzten Monate nicht gemeldet und bin allem aus den Weg gegangen um die Situation für mich erträglicher zu machen. Ich hatte mich bei ihm total verstanden gefühlt... ohne viel Worte.... auch eine Vertrautheit wie ich sie noch nie zuvor gespürt habe.... das Gefühl von Geborgenheit und da ich sonst eine starke Frau bin hatte ich bei ihm das Gefühl schwach sein zu können... da er ja wahnsinnig viel Stärke ausstrahlt. Das sind definitiv die Komponenten die in meinem Leben fehlen.
Ich versuche auch in meinem Leben voranzuschreiten... gehe mit anderen Männern aus... aber mehr als nette Treffen geht nicht... da ihm gefühlstechnisch niemand das Wasser reichen kann. Ich glaub ich hab auch einen an der Klatsche.
Zwischendurch hab ich immer wieder das Gefühl nicht voranschreiten zu können... weil ich das Gefühl habe als ob er mich in dieser Situation festhalten würde. Aber diese Momente werden schon deutlich weniger. Das schlimmste hab ich hinter mir.

[Natascha_1990]

Das Buch jnein, Bindungsängste erkennen würde ich dir da empfehlen. Ich finde es wirklich gut beschrieben und du kannst dadurch erfahren was für einen krasses Ausmass das annehmen kann. Und ich glaube wenn du es mal gelesen hast wirst du noch besser damit abschliessen können


Lass ihn nicht mehr an dich ran - auf eine Art tut mir dieser Mensch auch leid, aber ich finde wer Bindungsangst hat soll sich selbst damit beschäftigen und nicht noch den potenziellen Partner da hineinziehen... aber das ist sicher einfacher gesagt als getan

[Gwen]

Na ja, Partner sind immer Spiegel. Wer einen Bindungsängstler hat, der hat auch selbst damit zu tun. Sonnenblume hat das schon über sich hier ausgeführt und ich kann das leider für mich auch nur unterschreiben. Es gehört dann schon viel Reflexion und Wille dazu, eine halbwegs vernünftige Beziehung führen zu können.

[Sonnenblume10]

Das Buch "Jein! Bindungängste erkennen und bewältigen" von Stephanie Stahl kann ich Dir auch wärmstens empfehlen. Sie erklärt die Mechanismen solcher Beziehungen sehr gut und nachvollziehbar.
Ich erkannte meine Beziehung darin so gut, dass es fast schon zum Lachen war, denn wir beide handelten sozusagen nach dem Lehrbuch, natürlich völlig unbewusst.

Starke Frauen wünschen sich starke Männer und geraten dann aber oft an emotionale Versager, von denen sie schlecht los kommen. Außerdem gelten in emotional engen Beziehungen andere Gesetze als im Alltagsleben. Da magst Du erfolgreich sein und Dein Leben im Griff haben, was aber längst nichts darüber aussagt, wie Du in Beziehungen tickst. Da kannst Du sehr wohl die untergeordnete Rolle einnehmen und Dich auf die Verliererseite begeben.

Bindungsängste sind ein schwieriges Thema. Erkennen kann man sie, heilen lassen sie sich kaum. Ich schließe mich da Gwen ein: es gehört viel Einsicht und viel Nachsicht und auch viel guter Wille dazu, eine Beziehung zu halten.
Bindungsängste, die Du ziemlich sicher auch hast (sonst würde dieser Mann nicht so unwiderstehlich auf Dich wirken!) sind im Unterbewusstsein verankert und haben ihre Ursache meist bereits in der Kindheit.
So können Trennungsszenarien, Scheidung der Eltern, aber auch Konflikte zwischen Mutter und Vater, die das Kind spürt und ängstlich beobachtet oder gar Alleinlassen und Missbrauch eine Rolle spielen. Selbst Menschen wie ich, die in gesicherten Verhältnissen mit großer Stabilität aufwuchsen, können Bindungsängste haben. Z.B. wenn ein Kind sich oft unverstanden und allein gelassen wird oder die Zuwendung eines Elternteils instabil ist und von der jeweiligen Laune der Mutter oder des Vaters abhängt, verinnerlicht das Kind, dass es im Grund genommen auf sich allein gestellt ist. Es muss mit sich und der Welt klar kommen, "weiß" aber bereits, dass auf nichts und niemanden Verlass ist. Bindungen, die enttäuscht wurden, wirken nachhaltig und diese Menschen entwickeln unbewusst eine innere Schutzhaltung. Das Unterbewusstsein treibt einen zu Partnern hin, die selbst konfliktbeladen und bindungsunfähig sind und es schützt sich damit vor zu viel Nähe.
Merke: Im Hinterherlaufen sind Bindungsvermeider der passiven Sorte immer ganz groß. Gerade wenn der Partner flüchtig ist, entwickeln sie unglaubliche Zähigkeit und versuchen den Partner immer wieder auf Kurs zu bringen. Dazu ist jedes Mittel recht. Toller Sex, sich Verbiegen und damit dem Partner eine Beziehung präsentieren, die er vermeintlich ganz toll finden müsste, Konfliktvermeidung etc. sind beim passiven Verweigerer immer zu finden.

Die scheinbare Selbstständigkeit, die Eigenständigkeit gehen verloren, weil gerade diese Beziehung einen förmlich absorbiert und alles Andere dahinter zurück tritt. Es gibt nur noch ein wichtiges Thema im Leben und das dreht sich um das Zentralgestirn. Daher haben diese Menschen oft das Gefühl, dass sie sich in der Beziehung aufgegeben haben und sich eigenartig substanzlos und unsicher fühlen. Kein Wunder, weil der Partner ja auch keinerlei Stabilität vermittelt.
Der aktive Part, in Eurem Fall also er, vermeidet die Nähe und das Zusammensein aktiv. Er zieht sich zurück, er ist nicht mehr ansprechbar, er verschwindet und er schweigt. Schweigen ist eine große negative Macht. Man kann sich nie sicher und aufgehoben fühlen und steckt alle Energie in die Beziehung. Der muss doch irgendwann mal sehen, wie toll wir zusammen passen, welch tolle Frau ich für ihn bin und ähnliche Gedankengänge halten einen bei der Stange.

Die Nähe, die Du empfindest, diese eigenartige Verbundheit, die spürst nur Du und nicht er! Du bist ein Opfer Deiner Projektionen und siehst alles Mögliche in diesem Versager, aber nicht das, was tatsächlich da ist. Da ist nicht viel, denn da ist meist eine große innere Leere. Dass er völlig umempathisch ist, keinerlei Mitgefühl entwickelt (auch wenn er davon redet, dass er eines hat, so redet er nur davon, denn er kennt das gar nicht) und völlig ichbezogen und isoliert ist, siehst Du nicht. Denn Du siehst nur das, was er Dir vermittelt und was Du selbst sehen willst.

Ich vermutete hinter seiner zurückhaltenden, sanft wirkenden Art großes Einfühlungsvermögen. Das war schlichtweg nicht vorhanden, sondern beruhte auf meiner Einbildung. Ich vermutete Tiefsinn, der auch nicht da war. Ich sah das, was ich sehen wollte und wurde sukzessive eines besseren belehrt, was aber nicht bedeutete, dass ich mich jemals aus dieser Beziehung hätte lösen können.
Ich kämpfte auf verlorenem Posten, ich gab nie auf und redete, auch wenn die Verzweiflung mich überfiel, mir wieder alles schön. Eines Tages würde er ...
Auch das ist eine innere Prägung, dieses eiserne Festhalten, diese Unfähigkeit sich zu lösen und selbst zu entscheiden, weil diese Beziehung so einen großen Wert hat. Und auch die Langwierigkeit, mit der die innere Ablösung vonstatten geht, gehört dazu. Der hat irgendwann die nächste Miss Perfect, die ihn auch wieder enttäuscht, er denkt nicht mehr groß an Dich, während Du innerlich immer noch trauerst und nicht los lassen kannst.

Dass er Dich jetzt noch stalkt, macht es nicht einfacher, denn noch hat er Interesse, das er aber nur aus der Ferne leben kann. In dem Moment, wo Du ihm zu nahe kommst. schlägt er Dich wieder zurück. Kaum hat er das gefunden, nach dem auch er giert, nämlich Verständnis, Vertrauen, Verbundenheit und Nähe, muss er es zwanghaft wieder beenden.

Und Du? Wie sahen denn Deine bisherigen Beziehungen aus? Auch immer wieder an die Sorte Mann geraten, die Deine Gefühle nicht adäquat erwidert?
Bist Du im Hinterherhecheln (das muss nicht aktiv stattfinden, sondern ich meine es als innere Haltung) ganz große Klasse?
Und was mit Männern wie Norbert von nebenan, der Dir entsprechende Blicke zuwirft, der Dich umgarnt, der Dir die Sterne vom Himmel holen würde, wenn Du ihn nur erhören würdest? Norbert ist so anhänglich und seine Zuneigung zu Dir sind so stabil und er ist so großmütig und verzeihend, auch wenn Du unerträglich bist, aber Du willst ihn nicht. Seine Berechenbarkeit, seine Stabilität gehen Dir auf die Nerven. Die Osterglocken, die er Dir vorbei bringt, wirst Du in die Tonne, denn Du willst sie nicht. Wenn er anruft, hebst Du nicht ab oder hast Dein Handy ausgestellt, weil Du nicht mit ihm reden willst. Denn er wirkt auf Dich langweilig und allzu durchschaubar und Du gehst in innere Abwehrhaltung.

Wenn Du das kennst, dann willkommen im Club der Bindungsvermeider. Denn der Bindungsvermeider sucht meist da nach Verbindung, wo er sie garantiert nicht kriegt. Das innere Programm ist dagegen und will bedient werden.
Ach, was sind diese Männer wie Thilo oder Oliver (ich nenne sie jetzt mal so im Gegensatz zum langweiligen Norbert) doch attraktiv! Die haben ihr Leben im Griff, sie sind ja so begabt, sie sind ja sooo interessant, alles an ihnen und alles, was sie sagen, ist interessant. Sie sind ja so voller Espirt und Charme und gerade zu diesen inneren Nullen baust Du eine innere Verbindung auf! Die empfindest nur Du, glaub mir. Er sülzt vielleicht anfangs noch von LIebe und einer unglaublichen Verschmelzung, aber nach wenigen Monaten sieht das schon ganz anders aus.
Da ist von der ach so großen Liebe nicht mehr viel übrig oder sie ist völlig einseitig. Es ist ein Wolf im Schafspelz, den Du Dir auserwählt hast und zwar aus freien Stücken, weil Dein Unterbewusstsein Dich zu ihm geführt hat.

Erkenne Deine inneren Muster, so weit es Dir möglich ist. Schau auf Deine Kindheit und erinnere Dich an Dinge, die Du am liebsten weit weg schieben willst, weil sie schmerzen. Schau Deine Eltern an und das, was sie Dir vorgelebt haben. Erinnere Dich an Deine Gefühle, die Du kennst, seit Du denken kannst. Denn genau diese lebst Du jetzt in Beziehungen nach: Sehnsucht, Gier nach Liebe, weil Du die innere Enttäuschung jetzt endlich heilen willst.
Aber wieder suchst Du an der falschen Stelle, denn anstatt Heilung erfährst Du wieder Verletzung und Einsamkeit.
Du musst versuchen, Zusammenhänge zu erkennen, denn es ist alles miteinander verwoben. Es steuert Dich unbewusst ohne dass Du es merkst. Aber indem Du es zulässt und auf die bewusste Ebene holst, kannst Du Dir selbst helfen und Dein trauriges inneres Kind trösten und ruhig stellen. Dann sucht es nicht mehr nach Liebe bei ungeeigneten Männern, sondern vielleicht da, wo sie zu finden ist.

Fange bei Dir an, denn ihn kannst Du nicht "therapieren", auch wenn Du das gerne möchtest. Du kannst ihn nicht ändern, nicht bekehren, aber Du kannst Deine inneren Einstellungen und Süchte ändern. Er ist nur Dein Spiegel und zeigt Dir deutlich, wie Du gepolt bist. Darin liegt auch eine Chance für Dich, einen besseren Zugang zu Dir zu finden und zu leben.
Ich sage heute: es ist gut, dass er kam, denn durch ihn habe ich mich endlich getraut, auf meine inneren Verletzungen zu schauen und sie zu beachten. Er hat mir gezeigt, was bei mir im Argen liegt.
Es ist aber auch gut, dass er ging und weit weg ist. Ich bin nach viel Zeit mehr bei mir angekommen als früher und ich brauche diese schillernde Sorte Mann nicht mehr.

Sonnenblume

[Gwen]

Wieder mal ein großartiges Posting von Dir, Sonnenblume! Danke dafür.

[Pflichtbewusstsein]

Liebe Natascha... danke für den Buchtipp.
Liebe Gwen.... möglicherweise hast du Recht mit dem Spiegeln... ich werd mal drüber nachdenken.

Für mich ist das ganze insofern schwierig... weil ich ihn schon sooo lange kenne... und er ein wahnsinnig liebenswerter Mann ist... der in seinem Leben sehr viel mitgemacht hat und trotzdem soviel Herzenswärme ausstrahlt. Wahrscheinlich hat ihm die Trennung von seiner Frau (sie ist mit seinem besten Freund abgehauen) den Rest gegeben. Ich sehe ihn vermutlich immer noch so wie er immer war. Das er durch die Trennung beziehungsunfähig geworden ist... will ich möglicherweise nicht wahrhaben.

[Pflichtbewusstsein]

Liebe Sonnenblume... danke für deine tollen Beiträge.
Ich bin in einem liebevollem zuhause aufgewachsen ... ich könnte jetzt auf die schnelle nichts sagen... dass mich irgendwie geschädigt haben könnte was aber nicht heisst dass es nicht sein kann.
Was mir immer ein bisschen zu denken gibt ist ... dass wenn man nachforscht ja jeder Mensch in seiner Kindheit irgendwelche Situationen erlebt hat die man für irgendetwas verantwortlich machen kann... ich denke... in der Jugend kann man mit offenem Herzen und Spontaneität unbeschwerter durchs Leben gehen ... da spielen Kindheitserlebnisse komischerweise noch kaum eine Rolle... ab einem bestimmten Alter wird es schwieriger... weil Verantwortung ...Lebenserfahrung... Erlebnisse usw eine große Rolle spielen. Dann sucht man nach Ursachen und kommt auf diese Erlebnisse in der Kindheit. Natürlich gibt es auch Menschen die in der Jugend schon große Probleme haben... da ging dann in der Kindheit massiv was daneben. Aber es gibt so viele Menschen... die die Jugendzeit und das junge erwachsensein problemlos hinbekommen.... dann aber um die 30 oder 40 plötzlich Probleme haben die kaum lösbar sind.

Ich habe aber auch schon hinterfragt ob ich Angst vor Nähe hab.... und obwohl ich vor eineinhalb Jahren diese Frage mit einem eindeutigen Nein beantwortet hätte... musste ich zugeben dass es nun scheinbar doch so ist. Ich hatte auch länger anhaltende Beziehungen... meine letzte war 20 Jahre. Ich glaube... dass man ab einem gewissen Alter fähig ist Gefühle anders und viel intensiver wahrzunehmen... und diese dann eine Intensität haben... die einem Angst machen können... weil man das vorher nie so erlebt hat. Dann kommt es drauf an... ob man an sich arbeiten möchte um diese Gefühle zu leben oder ob man sich hinter dieser Angst verkriecht. Im Idealfall stellen sich beide Partner den Gefühlen... die Realität sieht aber leider so aus dass Männer damit nicht umgehen können und sich verkriechen... um sich nicht in unbekanntes zu stürzen wo sie Angst haben die Kontrolle über ihren Verstand zu verlieren und plötzlich zu fühlen... denn das bringt Verletzbarkeit mit sich und damit kann das starke Geschlecht nicht umgehen.

[Sonnenblume10]

Im Alter und überhaupt mit zunehmendem Alter kommen die Dinge wieder zurück. Sie drängen an die Oberfläche, sie beschäftigen einen, sie wollen beachtet werden, weil vermutlich die innere Uhr allmählich abläuft.
Man wird sensibler und dünnhäutiger und das, was man Jahre verdrängt hat, kommt sukzessive hoch. Daher sind z.B. Altersdepressionen nicht selten. Darum kommen bei manchen Menschen mit dem Alter auf einmal wieder Alpträume von Kriegserlebnissen oder ähnlichen schlimmen Dingen.

In der Jugend und in der ersten Hälfte des Lebens ist alles neu. alles drängt nach Aufbau, die Energie ist scheinbar unerschöpflich und alles, was einen vielleicht belastet hat, wird weggeschoben und es wird jede Menge Müll drauf getürmt. Aber das wird löchrig und die unbewussten Kräfte bahnen sich ihren Weg.

Es stimmt, Deine Biografie sieht nicht so nach Bindungsangst aus. Aber man kann seine Bindungsängste auch in einer Ehe ausleben. Und der Typ, den Du schon so lange kennst, den Du jetzt aber erst richtig kennengelernt hast, der trägt besonders viel mit sich rum. Wollen täte er vielleicht, aber können tut er nicht!
Er macht schon einen fast traumatisierten Eindruck.

Er ist nicht Deine Baustelle. Deine Baustelle ist eine andere, es sind Deine Defizite. Es ist klar, jeder schleppt was mit sich rum aus der Kindheit, denn Eltern sind immer nur Menschen. Manchmal will man aber nicht so gerne genau hinschauen, weil es sich wie Verrat anfühlt. Es ist aber kein Verrat, es sind lediglich die Schuldgefühle die das nicht zulassen wollen. Und es geht auch nicht darum, irgend Jemanden zu verurteilen. Es geht darum, die Dinge anzuschauen, die passiert sind. Es können auch spätere Erlebnisse sein, die nachwirken.

Du bist offenbar innerlich nicht bereit für eine Bindung, sonst würdest Du nicht wegen Thilo leiden, der nicht anders kann als so.
Mitleid ist deplatziert, denn es hilft keinem. Und er hat seine Traumen die er bewältigen sollte. Wie gesagt, es ist nicht Deine Sache.
Natürlich haben auch Männer wie er gute Eigenschaften, das streitet keiner ab. Sie können vlt. sehr hilfsbereit sein, solange man ihnen nicht zu viel abverlangt, sie können auch nett und freundlich und liebenswert sein. Aber darunter ist der Wolf, den Du zunächst nicht erkennst und der ist mächtiger als die Fassade, die er nach außen zeigt. Den Wolf lernen aber nur Leute kennen, die ihm zu nahe kommen und die ihn berühren.
Solange alles oberflächlich bleibt, sind es oft die nettesten Menschen, aber wehe, es geht in die Tiefe.

Sonnenblume