Bindungsangst! Er ist aber der Richtige

[Neko]

Hallo,

ich hoffe mir kann jemand ein wenig weiterhelfen. Ich hab noch nie einen Bindungsphobiker kennengelernt, mein "Pflegefall" ist der erste.

Wir haben uns im Netz kennengelernt und ich wusste quasi sofort dass wir super zusammenpassen, sind vom Charakter und den Interessen her unheimlich ähnlich. Haben auch erst eine sehr schöne Zeit (Fernbeziehung) verbracht, bis die typischen Anzeichen eines Bindungsphobikers zu Tage traten.

Ich hab mir seine Diagnose selbst ergoogelt und ihn als es zu schlimm wurde damit konfrontiert. Haben uns insgesamt vier Mal gesehen, das letzte Mal ist fast fünf Wochen her. SMS und Anrufe kamen immer, er wollte mich bloß nicht mehr sehen. Die Arbeit war die Ausrede.

Vor einigen Tagen hatten wir dann ein klärendes Telefonat. Ich bin die erste der zahlreichen Exfreundinnen der er davon erzählt hat und wie stark die Bindungsangst ausgeprägt ist. Selbst seine beste Freundin kann kaum verbindliche Termine mit ihm machen (sie weiß aber Bescheid). Seine Aussage ist, dass er mit mir zusammen bleiben möchte und ich ihm wichtig bin, er aber nicht will dass ich so leiden muss. Habe ihn darauf hingewiesen, dass er entweder eine Therapie machen oder so weiter machen kann, und ihm nochmal vor Augen geführt wie die Frauen unter ihm gelitten haben (und leiden werden???).

Er überlegt sich die nächsten Tage, ob er eine Therapie beginnt. Wir bleiben weiter per SMS in Kontakt, komplette Funkstille habe ich leider nicht ausgehalten.

Nun meine Frage: Soll ich die Hoffnung begraben? Oder besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass es mit einer Therapie funktionieren könnte (falls er es will). Und wie klassifiziert man als Laie leichte, mittlere, schwere Fälle? Ist es dumm zu glauben dass er mein Traummann ist?

Vielen Dank im Voraus!

[Suhalley]

Soll ich die Hoffnung begraben? Oder besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass es mit einer Therapie funktionieren könnte (falls er es will)

Selbst wenn es zu einer Therapie kommt, so werden die Auswirkungen seiner Bindungsangst nicht von heute auf morgen "weggehen", soviel sollte Dir klar sein. Bindungsphobie entsteht meist in früher Kindheit, weil da gewisse Weichen für starke, dauernde Bindungen nicht ausreichend geprägt werden - solche frühkindlichen Störungen sind sozusagen "unheilbar"! Man kann das Leiden mit Therapien evtl. verbessern, das Störungsbild auflockern und dem "Patienten" damit eine gewisse Lebensqualität ermöglichen, sofern er dies denn selbst will und seine Phobie als einschränkend empfindet - solche Menschen werden aber wohl immer damit zu kämpfen haben und mit ihnen der jeweilige Partner.

Dazu kommt, dass sich der Mensch während der Therapie verändert und naturgemäß entwickelt; die Therapie ist nicht dazu da, um Dir und ihm eine schöne Beziehung zu ermöglichen. Wenn Du also glaubst, er macht diese Therapie damit ihr dann glücklich bis an Euer Lebensende zusammenleben könnt, würde ich mich von dieser Wunschvorstellung jetzt schonmal verabschieden, denn diese Therapie wird ausschließlich auf ihn selbst ausgelegt sein und darüber kann es auch passieren, dass der Partner in den Hintergrund gerät und während gewisser Therapiephasen eine Belastung darstellt, von der er sich dann lösen muss und wird.

Ist es dumm zu glauben dass er mein Traummann ist?

"Verliebt sein macht blöd" würde ich sagen und man verschließt gerne die Augen vor der Realität. Ich würde Dir raten, Dir mal ein Buch zum Thema Bindungsangst zu kaufen und Dich zu belesen z.B. "Nah und doch so fern" von Julia Sokol oder "Jein"; darin wirst Du erfahren, dass Bindungsphobiker gerne auch Menschen aniehen, die ebenfalls unter Bindungsangst leiden. Es gibt den aktiven Bindungsvermeider und dann gibt es da aber auch noch denjenigen, der der Meinung ist sich unbedingt eine Beziehung zu wünschen und in dem Bindungsphobiger DEN TRAUMMANN gefunden zu haben mit dem ein erfülltes Leben endlich möglich ist. Dass diese Person meist an Menschen gerät, mit denen eine gesunde Beziehung eben nicht möglich ist, wird als "Pech" oder "Unglück" empfunden - in Wahrheit werden aber Partner, mit denen wirklich Aussicht auf eine dauerhafte, feste Bindung besteht verschmäht und die Leidenschaft bei jenen, wo es aufgrund von Entfernung oder anderen Gründen eher aussichtslos ist, angeregt.

Es lohnt sich in jedem Fall, auch mal bei sich selbst zu schauen. Natürlich kann auch ein durchaus gesunder Mensch an einen Bindungsphobiker geraten; diese ziehen aber meist frühzeitig die Reißleine und beenden das Ganze, eben weil sie merken, dass ihnen dieses Verhalten eher schadet als gut tut.


LG
Suhalley

[Mondlicht]

Hallo Neko,

hier gibt es bereits schon einige Themen über BA.
Und unterm Strich kommt immer das selbe raus. ...On/off Beziehungen, die mehr Leid als Freude mit sich bringen.

Wir haben uns im Netz kennengelernt und ich wusste quasi sofort dass wir super zusammenpassen, sind vom Charakter und den Interessen her unheimlich ähnlich.

ja ja... so ein BA ist gerade in diesem Bereich verdammt anpassungsfähig. So bekommt es den Anschein, das zwei Puzzelteile zusammen passen, man sie allerdings nur noch richtig drehen muss, damit eine Einheit entsteht. ---->Falsch!
So sehr Du Dich auch drehst und wendest, die zwei Teile passen einfach nicht zueinander... So begibst Du Dich zum einen in die emotionale Abwärtsspirale, weil Du felsenfest der Überzeugung bist, das Deine Liebe alles bewirken kann, inkl. das Hoffen auf ein Wunder.

Der Krux an der Sache ist:
Du kannst gar nichts machen, Du stehst in allem außen vor. Er wird es nicht zulassen, das DU sooo nah an ihn heran kommst.
Es ist NICHT Deine Baustelle und es ist NICHT Deine Aufgabe ihn zu retten.
Nur er kann es für sich, für Dich, für euch..
Aber er wird es nicht zulassen, weil das wegrennen einfacher ist, als annehmen und aktiv daran zu arbeiten!!
Weißt Du, er hat sein Herz hinter einer dicken Stahltür mit mehreren Schlössern verschlossen, die Schlüssel hat er weg geworfen. So das wirklich niemand wirklich einen Einblick in sein inneres bekommt. Und auch er schaut da nicht gerne hin...
Und genau das ist das Problem. Es ist leichter, Ängste zu übertünchen als sich ihnen zu stellen.

Ich hab mir seine Diagnose selbst ergoogelt und ihn als es zu schlimm wurde damit konfrontiert.

SMS und Anrufe kamen immer, er wollte mich bloß nicht mehr sehen. Die Arbeit war die Ausrede.

das ist schon das schlimmste was Du machen kannst, ihn auch noch mit seinen Ängsten und Problem zu konfrontieren. Deshalb zog er sich noch mehr zurück und hatte plötzlich keine Zeit mehr, nur um diese leidige Diskussion aus dem Weg zu gehen.

Habe ihn darauf hingewiesen, dass er entweder eine Therapie machen oder so weiter machen kann, und ihm nochmal vor Augen geführt wie die Frauen unter ihm gelitten haben (und leiden werden???).

Mensch Neko... Höre auf, ihm immer noch mit Vorschriften und Zurechtweisungen zu maßregeln! ...Das ist pures Gift für ihn!!
Keiner kann ihn zwingen, und all das Gerede, all die guten Ratschläge oder Tipps kommen ihm wie DRUCK vor, NIE so, wie sie gemeint sind.

Und solange ER SELBST nicht ganz von selbst erkennt, dass etwas in IHM falsch läuft, kann keiner was machen.

Nicht der beste Therapeut, nicht der tollste Ratgeber oder Unterstützung.

Es hört auch keiner mit dem Rauchen oder mit dem Alkohol trinken auf, weil andere es sagen, man weiss das alles selbst.

ER braucht den Kick von sich selber, verstehst du ????

Er überlegt sich die nächsten Tage, ob er eine Therapie beginnt.

Ich garantiere Dir. Selbst wenn er morgen sagt, er macht ne Therapie, wird er sie nicht lange durchhalten. Weil sein Problem und seine Baustelle längst nicht bei ihm angekommen ist bzw. er es auch nicht aus freien Stücken macht, weil ihm der Kick fehlt. Er ist ein wahrer Meister darin, Ausflüchte zu finden, die sein NICHT-Erscheinen rechtfertigen werden!!
Und das ganze Dilemma beginnt wieder von vorn... und DU mittendrin!!!

Ist es dumm zu glauben dass er mein Traummann ist?

ehrlich gesagt: JA!!
Weisst du, ER muss Liebe und Nähe zulassen können, ER muss sich den Problemen stellen, ER muss sein Denken, sein Empfinden, sein Innerstes verändern, es hat nichts mit Dir zu tun. Egal was Du tust und wie sehr Du Dich drehst und wendest, Du wirst ihn niemals an Dich binden können, ER muss es wollen, aus tiefstem Herzen und mit aller Konsequenz.
Du kannst seine Probleme nicht für ihn lösen, und was er nicht annehmen will (aus Angst / Feigheit vor dem was es an Verbindlichkeit und Durchhaltevermögen von ihm fordert), das wird er auch nie annehmen.

Es ist immer einfach sich mit Ängsten herauszureden, das schwierige ist, sich diesen Ängsten zu stellen, sich selbst zu reflektieren und DANN etwas zu verändern.

Ich kann verstehen, das Du nach anderen Lösungsmöglichkeiten suchst, als ihn loszulassen.
Aber diese anderen Möglichkeiten gibt es nicht!!
Du musst Dich davor schützen, dass er Dich mit in den Abgrund reisst, zieh klare konsequente Grenzen und denk immer daran: es gibt Millionen Männer da draussen, die eine solche intensive Liebe und Nähe suchen und auch zulassen und erwidern können!!!

Du glaubst wahrscheinlich nie wieder SO zu lieben. Vieleicht ist es auch so, denn jede Liebe ist anders, aber darum nicht schlechter!

Möchtest Du nicht auch, dass Deine Liebe dankbar angenommen wird, ohne Angst und Zweifel?
Und möchtest Du nicht all das in gleichem Maße zurück bekommen, was Du geben kannst und zu geben bereit bist?

Und überleg mal, was wäre, wenn er wieder zurück kommt? Würde Dir nicht ständig die Angst im Nacken sitzen, er könnte wieder vor zuviel Nähe und Liebe flüchten?

Wie weit willst Du Dich mit Deinen Wünschen, Bedürfnissen und Vorstellungen von Liebe und Beziehung zurücknehmen?
Bis die alte Neko verschwunden ist und Du nur noch nach dem lebst was er zulassen kann??

Ich weiss, dass Du all das nicht hören magst, und vielleicht musst du (ich hoffe nicht!!) erst ganz unten ankommen um zu begreifen, dass DU diesen Menschen trotz all Deiner Liebe niemals ändern wirst. Das kann nur er allein, niemand sonst.

P.S. Falls es Dich interessiert. Es gibt ein verdammt gutes Buch über BA. "Jein" von Sefanie Stahl.

Liebe Grüße
Mondlicht

[Neko]

Hi,

Danke erstmal für die Rückmeldungen. Mir ist durchaus bewusst dass ich die Sache beenden muss wenn er keine Notwendigkeit sieht eine Therapie zu beginnen.

Mir geht's seit dem klärenden Gespräch besser, das ist die Hauptsache. Und ja, das ist ganz alleine sein Problem. Aber ich werfe nicht einfach die Flinte ins Korn sollte er an sich arbeiten wollen.

Übrigens wurde er nicht durch das Gespräch verschreckt, das ging schon vorher los.

Ich muss jetzt wohl einfach noch einige Tage abwarten, und nach seiner Entscheidung folgen die Konsequenzen.

[Neko]

Hallo nochmal!

Ich habe am 09. April die Beziehung beendet, weil das ein einziges Hin-und-Her war ob er jetzt eine Therapie macht oder nicht. Ich hab echt total die Nerven verloren. Vor 3 Tagen hab ich es nicht mehr ausgehalten und mich erkundigt wie es ihm geht. Es kam auch recht schnell die Antwort ("geht so, wie gehts dir denn?").

Jetzt bin ich wieder soweit (nein eigentlich die ganze Zeit) das ich nicht weiß wie ich das alles aushalten soll.

Ich habe ja gelesen, dass viele Leute meinen ihren Traumpartner gefunden zu haben wenn dieser Bindungsangst hat, weil die sich am Anfang so unglaublich reinknien. ABER
ich empfinde das trotzdem anders. Wir haben uns einfach fantastisch verstanden, fast wie Zwillinge. Ich kann das einfach nicht unter den Teppich kehren.

Mir schwindet jeden Tag die Hoffnung, dass mir so jemand nochmal über den Weg läuft. Die Zeit heilt alle Wunden sagt man, aber ich fühle mich so als hätte ich mich falsch entschieden. Andererseits werde ich ja kaum jetzt noch erfahren wie er drüber denkt, die Schotten sind dicht.

Soll ich die Kontaktsperre weiter aufrecht erhalten? Wie komme ich über diese furchtbare Zeit hinweg? Ich bin sonst gar nicht so eine "Liebeskummertante". Mir gehts echt mies.

Danke!
Neko

[Empanadas]

Hallo Neko,

meiner Meinung nach ist eine Beziehung zwischen euch nur dann möglich, wenn er sich ganz bewusst und offen seiner Problematik stellt und diese mit dir bespricht. Sicher bist du ihm sehr wichtig, wenn du die einzige Partnerin warst, der er davon erzählt hat. Trotzdem möchte ich dir raten, vorsichtig zu sein. Kannst du dir eine dauerhafte Beziehung mit jemandem vorstellen, der dir keine Stabilität bieten kann, ständig für hin und her sorgt, auf den du dich nicht verlassen kannst? Die anderen, die dir geantwortet haben, haben eigentlich schon recht mit ihren Beiträgen und dir denk ich schon sehr gute Hinweise gegeben. Ich denke im Endeffekt nicht, dass gar keine Beziehung möglich ist - nur sie wird einen harten Weg mit sich bringen und ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich willst.

Es ist toll, wenn man sich mit einem Menschen so stark verbunden fühlt, so viele gemeinsame Interessen da sind etc. Nur kannst du wirklich was damit anfangen? Er wird einen Moment lang seine Dinge mit dir teilen, im nächsten Augenblick wird er fliehen und sich verkriechen. Er ist anscheinend noch nicht so weit, sich seinem Problem zu stellen und eine Therapie anzufangen - dazu kannst du ihn nicht zwingen. Er selbst muss wissen, wann der Moment gekommen ist, und zwar nur dann, wenn er bereit ist, sich selbst zu finden und seinen Ängsten in den Augen zu schauen.

Ich finde deine Entscheidung gut, dich zu trennen. Du kannst nicht seine Therapeutin sein und eigentlich auch nicht seine Freundin, wenn er dich nicht an sich ranlässt. Möglicherweise wird er durch die Trennung merken, dass er ernsthaft etwas tun muss, und wird auf dich zukommen. Wenn er es nicht tut, kannst du ihm nicht helfen. So hart es auch ist.

Meine Trennung liegt 5 Monate zurück. Ich habe tiefst darunter gelitten, denn für mich war er der richtige, wir waren lange zusammen. Ich habe monatelang darauf gewartet, dass er zurückkommt, ist er aber bisher nicht. Ich habe auch gedacht, nie wieder einen Mann zu treffen, mit dem ich so viel teilen kann, der so gut zu mir passt etc. Letzte Woche habe ich einen neuen kennengelernt, in den ich mich verliebt habe - ich hätte das nie gedacht. Es kam ganz plötzlich und war extrem üebrwältigend und auch wunderschön. Ich weiß nicht, wohin mich diese Geschichte führen wird, denn er hat momentan noch eine Freundin. Aber zumindest habe ich gemerkt, dass auch neue Begegnungen kommen können, und diese noch viel spannender sein können als das, was man verloren hat.

Ich wünsche dir, dass du zu dir finden kannst und mit der Zeit die richtige antwort finden wirst.
Viel Glück!

[niirti]

Schau mal rein bei www.bindungsangst.net