Marsi hat geschrieben:Hattest Du in den zwei Jahren bevor Du ihn das erste mal wieder gesehen hast, auch zwei Jahre gebraucht um ihn bzw. Deine Trennung zu verarbeiten.
Hmm, das kann ich so nicht beantworten, denn die Ablösung ist wie gesagt ein Vorgang, der seine Zeit dauert. Aber die Zeit heilt auch Wunden, das sollte man nicht außer Acht lassen. Und da der Abschied irgendwann nicht mehr spürbar verläuft und man immer längere Zeit NICHT an den verlorenen Partner denkt, fällt es einem oft nicht auf. Aber ab und an wundert man sich, dass man mal eine Woche oder gar länger nicht an ihn gedacht hat.
Die ersten Monate waren die schlimmsten. Erst die Heul-, dann die Wutphase mit Rachefantasien und danach eine Phase mit Nachdenken über seine Person. Da konnte ich ihn und die Beziehung schon objektiver betrachten. Schlimm war, als ich ein halbes Jahr nach der Trennung begriff, dass er eine Neue hatte und dass diese Ex-Kollegin von ihm ja schon vorher in seinem Dunstkreis war. Also kann es auch sein, dass ich weg musste, damit der Platz für sie frei wurde. Da kam dann nochmals eine unglaubliche Wut auf ihn und ich schrieb wüsteste Mails, die ich aber nie abgeschickt habe. Gott sei Dank, heute würde ich mich dafür schämen.
Aber die neue Beziehung von ihm war wieder mal ein Schlag für mein ohnehin angekratztes Ego. Aber irgendwann akzeptierte ich es und dachte mir, es ist egal, denn es spielt ja keine Rolle für mich.
Ab da war ich dann wirklich im Abschiedsmodus und es ging deutlich bergauf. Mein Leben wurde wieder lebenswert, einige Einsichten folgten und meine Gedanken an ihn ließen deutlich nach.
11 Monate nach der Trennung kam ein Kongress in Berlin. Berlin, ich kannte die Stadt nicht, aber er und ich hatte immer davon geträumt, eines Tages mit ihm durch Berlin zu schlendern. Sollte ich dahin fahren? Wie würde es mir dort ergehen? Würde ich mich nicht sehr einsam fühlen, so alleine in meinem Hotelzimmer? Würde ich denn nicht leiden, wenn ich ihn wieder sehen würde?
Aber irgendwas in mir drängte mich: Los, mach, buch Dein Zimmer und fertig!
Ich tat es, buchte mein Zimmer direkt am Alex, suchte mir S-Bahn-Verbindungen zum Kongressort raus und buchte meine Zugfahrkarte.
Er kam damals nicht, er stand nicht im Teilnehmer-Verzeichnis. Ob er meinetwegen nicht kam, ich weiß es nicht. Vielleicht hatte er auch was Anderes vor, aber nachdem er die Jahre davor und danach immer auf diesen jährlichen Kongress fuhr, bezog ich es vlt. nicht zu Unrecht auf mich.
Es ging mir blendend in Berlin, ich fühlte mich wohl und nicht etwa einsam. Ich ging mit Kollegen aus und es war richtig toll für mich, dass ich mich gut mit mir fühlte. Ich merkte damals, dass Berlin eine Art "Freischwimmer" für mich war. Ich konnte es auch allein, ich brauchte ihn nicht zum Glücklichsein. Es war Balsam für mein Ego damals.
Danach ging es mir immer besser. Lediglich das erste Wiedersehen wieder ein Jahr später in Hamburg war momentan zu viel für mich. Ich dachte mir nur: so sieht also das berühmte Loslassen aus! Jegliche Souveränität war dahin und als ich ihn damals so unverhofft sah, ohne mit ihm Augenkontakt zu haben, kippte ich bildlich gesprochen fast aus den Latschen. Ich war ganz klar überfordert.
Ab da wurde auch das zur Routine, denn ab und ab begegnen wir uns. Einmal auf einer Fortbildung und einige Zeit nach Hamburg sprach ich ihn sogar an. Ich wollte das Eis zwischen uns brechen und wir liefen uns damals fast in die Arme. Denn er betrat den Raum, als ich gerade rausgehen wollte. Ein kurzes Hallo, ein scheues Lächeln - und weg war er. Aber ich wusste auf einmal, dass ich ihn ansprechen würde, wenn er alleine sitzen würde. Und er hatte sich strategisch günstig gesetzt, ziemlich weit hinten, unweit vom Eingang. Als ich wieder kam und ihn sitzen sah, ging ich hin und sprach ein paar freundliche Worte Smalltalk. Er wirkte erfreut, das Blockierende zwischen uns war weg. Ich beendete das Gespräch mit den Worten "vielleicht ruf ich Dich mal an" und er lächelte und erwiderte "Mach das!".
So, das war geschafft. Begeisterung durchströmte mich, ich war so stolz auf mich! Ab jetzt war der Weg frei, man könnte ja ab und an mal wieder Kontakt haben.
Aber wozu denn? Um lauwarme Worte auszutauschen, um sich zu erzählen, was man alles vorhatte, während das Wichtige ja eh nicht besprochen werden würde. Um zu hören, wie seine neue Beziehung denn so lief, falls er überhaupt jemals darüber gesprochen hätte? Eher nicht, er würde niemals von sich aus ein Wort darüber verlieren, das war mir klar.
Und ich? Sollte ich ihn fragen und dadurch mein Interesse an ihm zeigen? Ihm die Genugtuung bereiten, dass er immer noch irgendwie präsent in meinem Leben war?
Und überhaupt, warum wieder ich? Immer hatte ich um ihn geworben, hatte mich um Nähe bemüht, mit ihm gesprochen, mich um ihn gekümmert, seine Kalamitäten angehört usw. Alles ging immer von mir aus und jetzt dackelte ich wieder bei ihm an!
Denn ich hatte ihn ja angesprochen, Kontakt gesucht und nicht etwa umgekehrt. Er blieb passiv, wie immer. Und dann hatte ich mir mit dem Schlusssatz wieder mal ein Türchen offen gehalten. Vielleicht rufe ich Dich mal an!
Und mit meiner Euphorie war es ganz schnell vorbei und Enttäuschung machte sich breit - über mich. Wieder war alles von mir ausgegangen, wie immer! Wieder hatte ich das alte Muster rausgekramt.
ich schlief darüber und hatte einen Traum,in dem er vorkam. Und dieser Traum war eine Botschaft meines Unterbewussstseins, da bin ich mir ziemlich sicher. Es war eine Warnung. Lass den Krampf sein, das führt zu nichts. Du kannst keinen ach so lockeren freundschaftlichen Kontakt herstellen, wenn es nicht möglich ist. Und es war nicht möglich, weil wir mal so was wie ein Paar waren und uns vor uns "entblößt" haben. Er wusste so viel über mich und ich über ihn und das ist zu viel für eine belanglose Freundschaft.
Ich kannte seine nonverbalen Botschaften, seine unehrlichen und oft verdrucksten Worte, seine Halbwahrheiten und das würde mir wieder zu Denken geben. Das konnte ich mir bequem ersparen. ich kannte ihn einfach zu gut, ich "witterte" zu viel bei ihm, das konnte nicht gut gehen.
Und so lehnte mich mich zurück und beschloss, keinen Kontakt mehr aufzunehmen. Er hätte ja auch tätig werden können, aber auch er tat nichts.
Ich hätte allenfalls sein Ego gespusht und ihm die Genugtuung gegeben: sieh an, sie kann mich ja doch nicht ganz aus ihrem Leben lassen.
Dabei bin ich geblieben und - solange es auch dauerte - ich bin heute zufrieden damit. Ich will keinen doofen und oberflächlichen Kontakt mehr mit ihm, ich will keinen Smalltalk und ich wollte auch keinen intimen Austausch mehr mit ihm. Ich will einfach nur meine Ruhe haben vor ihm. Wenn wir uns sehen, grüßen wir uns neutral. Ich empfinde keinen Groll, keine Enttäuschung mehr über ihn, aber auch nicht unbedingt Freude.
Ich weiß, dass ich mehr wert war als das, was er mir zugestand. Ich weiß aber auch, dass ich unbewusst einen Auftrag an ihn hatte, was mir erst ca. zwei Jahre nach der Trennung bewusst wurde. ich hatte lange nicht mehr an ihn gedacht und auf einmal fiel er mir ein. Wie es ihm wohl ging? Naja, wie wohl, wie immer halt. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der Auftrag an ihn hatte gelautet: bitte mach Du mich heil und ganz. Ich bin bedürftig, ich bin suchend und ich brauche einen Menschen, der mir das Gefühl gibt, geliebt zu werden und wertvoll zu sein.
Und das war zu viel Auftrag, das verstehe ich heute. Man darf einen Anderen nicht dadurch missbrauchen, dass man sich abhängig von ihm macht und ihm damit die Botschaft gibt: ich brauche Dich unbedingt, weil ich selbst mit mir nicht klar komme.
Ich habe seither konsequent an meinem Selbstwertgefühl gearbeitet, ich habe viel nachgedacht über die unbewussten Muster, die in mir wirkten und noch wirken. Ich habe sie entlarvt als übernommene Enttäuschungen aus meiner Kindheit. Ich weiß, woher sie kommen und dass ich immer versucht habe, diese alten Verletzungen später zu heilen. Indem ich mir immer wieder Männer suchte, die ich auf ein Podest stellte (wie meinen Vater), weswegen für mich nur die unterlegene Rolle übrig blieb.
Ich lobe mich selbst immer wieder und ich bin stolz darauf, dass ich viele Ängste und alte Verhaltensweisen abgelegt habe. Ich bin selbständiger geworden, selbstbewusster und ich lasse mir mein Selbstwertgefühl nicht mehr kaputt machen. Nicht durch mich selbst (die inneren Dämonen, die einem immer einflüstern: Du bist nicht gut genug, haha, wir wissen das und Du schaffst das nicht!) und nicht durch andere. Ich mache Fehler, aber ich bin versöhnlicher mit mir geworden. Ich muss nicht top sein, gut genug reicht auch.
Ich denke heute, er war wichtig für mich und auch er hatte eine Aufgabe bei mir erfüllen. Er war ein Wegweiser für mich, der mir zeigte, woran es bei mir krankte. Er konnte das nicht heilen, selbst wenn er es gewollt hätte, denn derlei Dinge müssen wir alleine bewältigen. Das kann uns keiner abnehmen.Durch ihn kam ich letztlich bei mir selbst an und das war gut so.
Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau, nicht sonderlich intelligent, nicht sonderlich schön, mit Ecken und Kanten. Aber ich bin gut genug, dass ich es mit mir gut aushalte. Ich habe sogar wieder eine Beziehung, die ganz gut läuft. Prima laufen Beziehungen bei mir nie, aber ich kann sie gut aushalten und sehe das Positive daran.
Ich habe viel über mich gelernt und viel gewonnen. Vor allem die Erkenntnis, dass ich eigene Verantwortung nicht auf andere abwälzen kann und andere nicht dafür da sind, dass sie mir ein positives Bild von mir selbst vermitteln.
Mache es selbst und es wird gelingen, wälze es auf andere ab und Du wirst scheitern und das ganz zurecht.
Sonnenblume