Loslassen eines Menschen mit Bindungsangst

Die Trennung verarbeiten und nach vorne schauen
Rike007
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Re: Loslassen eines Menschen mit Bindungsangst

Beitrag von Rike007 » Mi 22. Aug 2012, 19:35

Hallo Sonnenblume,

du hast den älteren Mann also im Urlaub kennengelernt. Ich hatte in meinen jüngeren Jahren auch einige Urlaubsflirts, aber mehr hat sich daraus nicht entwickelt (also dass man noch nach dem Urlaub was miteinander hatte). War aber nicht so schlimm, weil ich Urlaubsflirts auch immer grundsätzlich nur als das gesehen habe, was sie waren - als Urlaubsflirts ;) .

Ich hatte früher viele Brief- und Chatfreunde aus Schweden und habe auch schon beruflich und im Urlaub (nicht nur in Schweden, sondern auch in ganz anderen Ländern) viele Leute von dort kennengelernt. Als ich noch jünger war, fand ich es überraschend wenn irgendwelche 17jährigen Jungs mir erzählten, sie seien schon seit 4 Jahren in einer festen Beziehung. In meiner Pubertät war das anders. Einige meiner Mitschüler(innen) hatten mit 12, 13 auch eine Freundin oder einen Freund, aber das waren eher Schwärmereien als feste Partnerschaften. Ausprobieren lautet die Devise in Mitteleuropa, während das wohl in den meisten Regionen Schwedens verpönt ist.

Vor einigen Jahren habe ich im Urlaub einen Niederländer kennengelernt. Er war groß, sah gut aus und machte auf den ersten Blick einen sympathischen Eindruck. Ich saß an der Theke einer Freiluft-Bar, und er sprach mich an. Erst fragte er mich nach meinem Namen und ob ich aus Deutschland sei. Nach einem kurzen "Wie gefällt es dir hier?" und meiner Antwort kam schon die direkte Frage ob ich Lust auf Sex hätte. Da war ich echt überrascht. Einerseits war dieser Mann längst kein Teenager mehr, der war geschätzte 35. Außerdem wirkte er nicht wie der klassische Macho-Aufreißer. Er merkte, dass mir die Frage unangenehm war und erklärte mir dann, dass die Niederländer diesbezüglich ziemlich locker drauf seien und schneller auf den Punkt kommen. Er könne es nicht verstehen, warum man stundenlang um den heißen Brei reden müsse, wenn man eh nur ein bisschen Spaß im Urlaub haben wolle. Bei mir ist halt das Problem, dass ich absolut keine Lust verspüre, wenn ein Mann dermaßen plump ist. Ein attraktives Äußeres bedeutet bei mir noch lange nicht, dass ich einen Mann interessant finde.

Es freut mich sehr zu hören, dass ich dir bei deinem Problem mit XXX ein wenig helfen konnte. Vielleicht war es ganz gut, dass du deine Gedanken ein wenig niederschreiben und das Ganze reflektieren konntest. Im Austausch mit anderen Menschen wird uns manchmal so einiges klar, was uns früher lange nicht bewusst war. So ging es mir auch. Ich hätte einfach ein wenig mehr nachdenken sollen, aber du weißt ja wie es ist, wenn man verliebt ist... :mrgreen: . Der Fußballhistoriker hat zu viele Probleme mit sich selbst, und das habe ich leider zu lange übersehen. Er hat übrigens immer noch keinen Job gefunden und wird es vermutlich auch weiterhin schwer haben. Er hat zwar im Studium gute Leistungen gebracht, aber bei der Bewerbung um einer Arbeitsstelle geht es um sehr viel mehr. Gerade bei einem Vorstellungsgespräch muss man sich gut verkaufen können. Und das ist für ihn mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Es fällt ihm schwer, sich mit fremden Menschen zu unterhalten, ohne verlegen zu werden... manchmal stottert er auch und kann den Menschen kaum in die Augen schauen. Trotz allem was gewesen ist, wünsche ich ihm viel Glück und nur das Beste bei der Arbeitssuche.

LG
Rike

Sonnenblume10
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Re: Loslassen eines Menschen mit Bindungsangst

Beitrag von Sonnenblume10 » Do 23. Aug 2012, 14:22

Hallo, Rike,

wenn ich Deine Mail lese, merke ich, Du hast Deinen Fußballhistoriker überwunden. Bei mir war die Entdeckung seines wunderschönen goldenen neuen Rings Anlass genug, endlich mit ihm abzuschließen. Ich trag ihm nichts mehr nach, nur manchmal noch, ich wünsche ihm nichts Gutes, aber auch nichts Schlechtes. Es ist mir egal, ob er mit der Neuen glücklich wird oder nicht. Ich weiß aber, dass ich wieder viel glücklicher geworden bin, stabiler und mehr im Einklang mit mir selbst lebe.
Es hat lange gedauert, ganz mit ihm abzuschließen, aber die Dinge dauern so lange, wie sie dauern. Das Schreiben im Forum hat mir tatsächlich geholfen. Ich hatte das gar nicht erwartet und da die Trennung so lange zurücklag, dachte ich, ich hätte eigentlich weitgehend damit abgeschlossen. Dass ich überhaupt ins Forum fand, war Zufall. Ich merkte, dass es ganz viele ähnliche Schicksale gab und gibt und doch jedes ganz einzigartig für den Beteiligten ist. Als Du das Thema Bindungsangst angeschnitten hast, verspürte ich den dringenden Wunsch, auch meine Geschichte niederzuschreiben. Endlich war jemand da, der verstand, der ähnliches erlebt hat, mit dem gleichen Thema konfrontiert war. Es hat mir geholfen, die Sache endlich aufzuarbeiten. Den Großteil hatte ich erledigt, aber noch nicht vollständig. Sonst hätte ich nicht den Wunsch verspürt, darüber etwas mitzuteilen.

Ja, den Älteren habe ich im Urlaub kennengelernt. Ich fuhr damals mit einer kleinen Reisegruppe nach Norwegen und er war der Fahrer, aber nicht der eigentliche Organisator der Reise. Da der Organisator aus meiner Stadt kam, hatte er einen Fahrer engagiert, der erfahren war und auch geografisch aus diesem Umfeld stammt. Daher kam es hinterher zu unserer Beziehung. Es war seltsam, aber beim ersten Blick spürte ich, dass es gut war, dass er dabei war. Es reichten ein paar Worte von ihm - "Guten Morgen, ich bin der ..." - und ich fühlte, da ist ein Mann, der mit beiden Beinen im Leben stand, auf den Verlass war. Eigenartig, was wir manchmal empfinden, wahrnehmen. Zunächst fühlte ich nur ein gewisses Interesse, ich beobachtete ihn und er hatte etwas an sich, was mich ansprach. Ich fand ihn sympathisch und ich merkte, dass er eine gewisse fürsorgliche Art mir gegenüber hatte. Das hat mich sehr für ihn eingenommen. Ich fühlte mich wohl, wenn er da war. Am Eßtisch saßen wir zufällig über Eck nebeneinander. Ich bin sicher, es ergab sich nicht aus reinem Zufall. Wir hatten unterbewusst wohl schon entschieden, dass sein Platz neben mir sein würde und umgekehrt. Im Lauf des Urlaubs kam die Sache allmählich ins Rollen. Es war wohl auch für die anderen unübersehbar, dass da mehr als nur Sympathie im Spiel war. Auf der Fähre gab ich ihm meine Telefonnummer und einige Tage später rief er mich an. So war das damals. Er hat sich bisher übrigens nicht mehr gemeldet. Mal sehen, wenn er sich nächste Woche auch nicht meldet, schreib ich ihm eine SMS.

Was Du von dem Niederländer schreibst, hat mich zum Lachen gebracht. Geht's noch? Nach kurzem einführenden Palaver kommen wir gleich mal zur Sache und sagen, was wir wollen. Urlaub ohne Sex mit einer fremden Frau ist wohl kein Urlaub für ihn. Auch ich könnte niemals so schnell und ohne jede gefühlsmäßige Beteiligung mit jemanden ins Bett gehen. Ohne Liebe bzw. Verliebtheit geht gar nichts. Ich würde mich nicht gut dabei fühlen, vermutlich könnte ich es gar nicht und ich will es auch gar nicht ausprobieren. Wer One-Night-Stands mag, soll sie haben, ich mag sie nicht.

Ich habe mir nochmals Gedanken darüber gemacht, dass ich Dir mal schreiben wollte, worüber ich letzthin traurig war, als mir eine Begebenheit mit ihm wieder einfiel. Aber irgendwie erscheint es mir nicht mehr sonderlich wichtig. Die Geschichte zeigt, in welch jämmerlichen Position ich damals war. Sollte sie Dich interessieren, sag es. Ich habe auch über die Geschichte nachgedacht, die Du mir geschrieben hast. Seltsam, dass Du von ihm geträumt hast. Er hat Dich gedanklich damals schon beschäftigt, er hatte wohl Eindruck auf Dich gemacht, sonst hättest Du kaum von ihm geträumt. Dass er davon berührt war, kann ich eines Teils verstehen, denn seine Ehre war wohl davon betroffen. Dass er Dir wiederholt sagte, dass es nicht so sei und sogar Tränen bei ihm kamen, fand ich seltsam. Er hat ein schwaches Ego, sonst hätte er viel lapidarer damit umgehen können. Ich hatte das Gefühl, dass er ziemlich selbstmitleidig ist. Tränen wegen einer solchen Sache, und dann noch bei einem Mann, wo jeder weiß, dass Männer viel weniger leicht weinen als Frauen.

Es würde mich interessieren, was Du beruflich machst. Vielleicht magst Du es mir ja mal schreiben?

LG
Sonnenblume

Rike007
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Re: Loslassen eines Menschen mit Bindungsangst

Beitrag von Rike007 » Do 23. Aug 2012, 16:55

Hallo Sonnenblume,

sagen wir es mal so: Ich kann nicht behaupten, dass ich gar nichts mehr für den Fußballhistoriker empfinde. Die Nähe zwischen uns empfand ich als unheimlich intensiv und hatte das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, dass es einen Menschen gibt, der tatsächlich dasselbe für mich empfindet wie ich für ihn. Ich weiß inzwischen, dass es zwischen uns sehr kompliziert geworden wäre, wenn sich etwas Festes entwickelt hätte. Mir ist klar, dass eine Beziehung zwischen uns nie so richtig locker und unbeschwert wäre. Diesem Mann fällt es wahnsinnig schwer, einer Frau zu vertrauen. Das spüre ich ganz genau.

Momentan bin ich etwas verwirrt. Ich habe nämlich heute Geburtstag und war sehr überrascht, als ich nach der Arbeit ein kleines Päckchen vor meiner Haustür fand. Mit meiner Familie treffe ich mich nämlich erst nachher, und im Freundeskreis schenken wir uns gegenseitig nur etwas, wenn wir auch feiern. Für ein Fest habe ich die nächsten Wochen aber keine Zeit. In diesem Päckchen war ein kleines Geburtstagsgeschenk für mich, nichts Großes und Aufwändiges... aber selbst gemacht und mit einem kreativen Spruch hinterlegt, sehr fantasievoll. Als ich den Namen des Absenders las, bin ich richtig erschrocken. Diese Überraschung hat mir nämlich kein geringer als der besagte Fußballhistoriker bereitet :o !

Da bist du sicher auch baff, oder? Ich weiß nicht, ob er mit dieser Aktion sein schlechtes Gewissen beruhigen möchte oder ob er mir auf diese Art sagen will, dass ihm sein Verhalten beim Kontaktabbruch von damals leid tut. Mir ist längst bewusst, dass er mir nicht geben konnte, was ich mir lange Zeit so sehr gewünscht habe und dass er auch nicht offen darüber reden kann. Ich werde mich höflich bei ihm bedanken, ohne auf weiteren Kontakt zu pochen.

In einem Punkt muss ich dir allerdings widersprechen: Als ich damals von ihm geträumt habe, ging er mir in der Realität noch überhaupt nicht durch den Kopf. Das passierte erst Monate später. Ich träume ab und zu auch von Menschen, über die ich nicht so intensiv nachdenke. Dass er häufig in Selbstmitleid badet, glaube ich aber auch... und auf einige Leute aus seinem Freundeskreis trifft das ebenfalls zu. Ich war überrascht, dass er so heftig auf den Scherz reagierte und ihn das später noch monatelang beschäftigt hat.

Ist dieser ältere Mann eigentlich Norweger? Ich finde viele Skandinavier optisch sehr attraktiv, kann aber mit ihrer teils reservierten, teils plumpen Art nichts anfangen. Der Fußbalhistoriker hat mir u. a. deshalb den Kopf verdreht, weil er sehr gefühlsbetont ist und das auch zeigt (wenn auch manchmal übertrieben). Kühle, distanzierte Typen waren noch nie mein Fall. Wusstest du eigentlich von Anfang an, dass er verheiratet war/ist? Der Niederländer war übrigens nicht aufdringlich. Als ich ihn abgewiesen habe, hat er das sofort akzeptiert und keinerlei Überredungsversuche gestartet. Ich hatte übrigens schon einige wenige ONS. Eigentlich steh´ ich auch nicht drauf, das letzte Mal ist schon Jahre her. Aber in zwei Fällen ließen mich die Männer im Glauben, dass sie eine Beziehung mit mir führen wollten und überlegten es sich unerwartet anders (und das waren keine Aufreißer, sonst hätte ich mich nicht auf den Sex eingelassen). Mir passiert das alle Jahre wieder, wenn ich schon lange niemanden hatte. Allerdings kommt es total selten vor, dass mich ein Mann ausschließlich in sexueller Hinsicht interessiert.

Was meinen Beruf angeht, bekommst du eine private Nachricht ;) .

LG
Rike

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Re: Loslassen eines Menschen mit Bindungsangst

Beitrag von Sonnenblume10 » Do 23. Aug 2012, 19:08

Hallo, Rike,

herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Das ist ja eine Überraschung! Und dann noch das überraschende Geschenk. Was die Intention dafür ist, weiß ich nicht. Aber er sagt Dir damit auf jeden Fall: du bist mir nicht gleichgültig, ich denke an Dich. Oh ja, Du bist ihm sicher etwas wert und alles andere als gleichgültig.

Deine Reaktion darauf finde ich gut. Denn ich glaube, er könnte Dir kaum offen sagen, was er damit ausdrücken wollte. Er wäre sicher verlegen.

Ich meinte auch nicht, dass er vor Deinem Traum schon Eindruck gemacht hat. Ich meinte, er hat Dein Unterbewusstsein tangiert, ohne dass es in Dein Bewusstsein vorgedrungen ist.

Ich freue mich auf die Mail von Dir und wünsche Dir alles erdenklich Gute für Dein neues Lebensjahr. Ich glaube, Du hast durch das Vergangene auch viel dazu gelernt, wie ich auch.

LG
Sonnenblume

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Re: Loslassen eines Menschen mit Bindungsangst

Beitrag von Rike007 » Fr 24. Aug 2012, 17:39

Liebe Sonnenblume,

ich danke dir ganz herzlich für deine Glückwünsche und habe mich wirklich sehr darüber gefreut :) .

Dass „er“ gar nicht mehr an mich denkt, glaube ich auch nicht. Schließlich kann ich erkennen, dass er sich immer noch meine Profile auf gewissen Seiten regelmäßig anschaut. Dass ich ihm wichtig bin, wage ich nicht zu behaupten. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht, da er bekanntlich nicht darüber redet. Und genau das ist es, wovor ich in einer Beziehung mit ihm hauptsächlich Angst hätte: Ich war nämlich schon mit einigen Männern zusammen, die über persönliche Dinge nicht reden konnten. Und ich weiß nicht wie ich mit jemandem umgehen soll, der einfach nur schweigt und mir böse Blicke zuwirft, wenn er auf mich sauer ist... wenn ich keine Ahnung habe, warum er böse ist und nur spekulieren kann. Das zermürbt mich innerlich total. So ging es mir auch in den ganzen Monaten, als wir null Kontakt hatten.

Die Nachricht wollte ich dir gestern noch schreiben, bin dann aber überraschend früh eingeschlafen (nein, ich hab´ keinen Alkohol getrunken *g*).

LG
Rike

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